Nur die Familie zählt

Die großen Parteien Pakistans sind keine demokratische Alternative zur Herrschaft des Militärs. von peer bruch

»Demokratie ist die beste Rache«, sagte der 19­-jäh­rige Bilawal Bhutto Zardari auf der Presse­kon­ferenz nach seiner Ernennung zum neuen Vorsitzenden der Pakistanischen Volkspartei (PPP). Es sei der Wille seiner Mutter gewesen, dass er in ihre Fußstapfen trete. Benazir Bhutto war am 27. Dezember im Anschluss an eine Wahl­kampf­veranstaltung in Rawalpindi ermordet worden.

Die Chancen der PPP für die nach dem Anschlag auf den 18. Februar verschobenen Wahlen stehen nicht schlecht. Doch wie demokratisch sind die Parteien Pakistans? Benazir Bhutto war Parteivor­sitzende »auf Lebenszeit« – möge ihrem Sohn ein langes Leben beschieden sein. Die Herrschaft des Bhutto-Clans über die im feudalen Stil geführte, stärkste Partei des Landes ist erst mal gerettet. Bis zum Abschluss von Bilawals Geschichts­studium in Oxford wird sein Vater Asif Ali Zardari die Amtsgeschäfte leiten. Als Spitzenkandidat der PPP wird der als loyal geltende Fraktionsvorsitzende Makhdoom Amin Fahim gehandelt.

In der pakistanischen Politik hat man es mit feu­dalen Strukturen zu tun. Die anderen Parteien werden meist ebenfalls von einflussreichen Fami­lien geführt. In den Städten entscheidet oft die Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen und Kon­fessionen über die Wahl einer Partei. Im länd­li­chen Raum definieren die Abhängigkeiten von Grundbesitzern und traditionelle Regeln, ein Gemisch aus dem »Volksislam« und Stammesgebräuchen, den Alltag. Der Rechtsstaat ist weit weg. Auch Benazir Bhutto hatte anscheinend kein Pro­blem damit, als sie nach ihrem Studium im Ausland auf die Familiengüter in der Provinz Sindh zurückkehrte und mit dem drei Jahre jüngeren Spross des Zardari-Stammes verheiratet wurde.

Nepotismus ist an der Tagesordnung. Familienangehörige tauchen immer wieder in verschiedensten Positionen auf. Der erste Sohn wird Politiker, der zweite geht in die Wirtschaft, der dritte wird Anwalt oder Offizier, wichtig ist eine möglichst breite Streuung. Die Töchter dienen der Heiratspolitik. Die einflussreichen Familien befin­den sich im stetigen Wettbewerb miteinander und teilen das Land, die Macht und die Ressourcen unter sich auf. Dieses Modell beschränkt sich nicht auf die Oberschicht, die Mittelschicht adaptiert es fleißig.

Die elf Jahre zwischen 1988 und 1999, als sich die Parteien die Macht gegenseitig immer wieder abnahmen, waren verheerend. Die Auslandsverschuldung erreichte neue Höhen, die Zahl der Ar­men verdreifachte sich und das Verhältnis zu Indien verschlechterte sich immens.

Eine demokratische Alternative zur Herrschaft der Generäle, die die meiste Zeit während der 60jährigen Landesgeschichte die Geschicke bestimmten, sind die großen Parteien daher nicht. Die Armee ist ein Staat im Staate, sie beherrscht größ­tenteils die Wirtschaft und Verwaltung. Präsident Pervez Musharraf putschte sich 1999 an die Macht. Seine Uniform hat er nur widerwillig abgelegt, an den Lagebesprechungen des General­stabs nimmt er weiterhin teil. Er selbst scheint nicht korrupt zu sein. Doch er sichert die Pfründe des ihn stützenden Netzwerks aus Militärs und Geheimdienstlern.

Die Politiker beklagen sich über machthungrige Offiziere und die Offiziere sich über korrupte Po­litiker. Doch Parteien und Militär sind die Säulen eines oligarchischen Systems, das gesellschaft­liche Demokratisierung nicht zulässt. Das dürfte sich noch rächen.