Hotte, mach’s noch mal!

Soll Horst Köhler eine zweite Amtszeit als Bundespräsident absolvieren? Er muss! Von markus ströhlein

Roland Koch kann nicht nur phantasievolle Wahlkämpfe führen (»Kommunisten stoppen!«, »Kriminelle Ausländer stoppen!«, »Doppelpass stoppen!«). Er weiß auch zu argumentieren. »Horst Köhler ist ein Bundespräsident aller Deutschen. Ich fände es prima, wenn er sich erneut zur Wahl stellen würde«, sagte Koch in der vergangenen Woche auf die Frage der Bild-Zeitung, ob Köhler eine zweite Amtszeit absolvieren solle.

Auch andere Befürworter konnten sich nicht länger zurückhalten. Im Mai 2009 steht die Wahl des Bundespräsidenten ja schon an! Der Vorsitzende der bayerischen CSU, Erwin Huber, brachte in der Passauer Neuen Presse triftige Gründe vor: »Horst Köhler ist ein exzellenter Bundespräsident, einer, der über den Tag hinaus denkt.« Fassen wir also die stichhaltigen Argumente zusammen: Köhler ist schon »ein Bundespräsident«, noch dazu »aller Deutschen«, dann kann er es auch gleich bleiben. Er denkt »über den Tag hinaus«, also auch, wenn die Sonne längst unter­gegangen und es zappenduster ist.

Das spräche schon zur Genüge für Köhler. Doch der Mann besitzt weitere Qualitäten. »Offen will ich sein und notfalls unbequem«, nannte er ein Manifest in Buchform kurz vor seinem Amtsantritt. Der Titel ist Programm: Wer offen ist, kann folglich nicht ganz dicht sein und ist deshalb bestens dafür geeignet, im Amt des über allen Dingen stehenden Bundespräsidenten den Lautsprecher des Irrsinns zu geben. Wer erinnert sich nicht gern an Köhlers Rede zur Amtseinführung, in der er von Deutschland als dem »Land der Ideen« schwärmte und die Unwilligen mit blumi­gen Worten ermahnte, bloß nicht auf die Idee zu kommen, sich den »Reformen«, der »Verantwortung für das Wohl des Landes« und der »Erneuerung Deutschlands« zu verweigern? Und welch Glanzstück gelang ihm erst in der Ansprache zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs! »Es gibt keinen Schlussstrich!« proklamierte er. Denn Köhler weiß, dass Deutschland sich im eifrigen Gedenken »als Nation wiedergefunden« hat und nach der konsequenzlosen Läuterung den Rest der Welt richtig Mores lehren kann. So verkündete er den anwesenden Bot­schaftern beim Empfang des diplomatischen Corps vor zwei Wochen: »Es kommt darauf an, Kooperation zu suchen und Konfrontation zu vermeiden. Die künftige Weltordnung wird eine multipolare sein – oder keine.«

Bisher war Köhler nicht nur »notfalls unbequem«. Einen Konsens finden, Kompromisse aushandeln – das demokratische Brimborium und das schmutzige Geschäft politischer Vermittlung sind nicht nach seinem Geschmack. Deshalb muss er sich manchmal, anders als seine Vorgänger, diese trägen Onkel aus der Villa Hammerschmidt und dem Schloss Bellevue, polternd ins Tages­geschäft einmischen. Damit es vorangeht für Deutschland. Das Volk schätzt diese Art. So einen, der ganz oben, aber doch außerhalb der Politik steht, mag es. Darum würde sich Köhler sehr gern direkt vom Volk wählen lassen.

Da sollte doch jedem einleuchten: Hotte, mach’s noch mal! Dennoch gibt es wieder Querulanten. Reinhard Bütikofer, der Vorsitzende der Grünen, bezeichnete die Diskussion in der Schweriner Volks­zeitung als »nutzlose Fingerübung«. Nun ja, wer mit den Fingern diskutiert, sollte sowieso nicht mitreden dürfen. Und diskutiert wird ohnehin zuviel.