Shopping statt Jihad

Die Hamas und die Krise in Gaza. kommentar von jörn schulz

Perfekt war die Propaganda der Hamas nicht. Als sie am Dienstag der vergangenen Woche eine Pressekonferenz gab, saßen die Islamisten bei Kerzenschein beisammen. Den Journalisten fiel j­edoch auf, dass es hellichter Tag war, man hatte die Vorhänge zugezogen, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Ein Erfolg für die Hamas waren die Inszenierungen dennoch, die Stromabschaltung, die zumindest in diesem Ausmaß unnötig war, da Israel mehr als 60 Prozent der Elektrizität liefert, ebenso wie die Sprengung der Grenzanlagen. Ägypten muss nun über die Kontrolle der Grenze verhandeln, die EU will erneut Beobachter an die Übergänge entsenden. Damit ist die Hamas der diplomatischen Anerkennung näher gekommen.

Es gäbe in Europa wohl weniger Verständnis, wenn sich 500 000 Araber anschicken würden, in einem Staat der EU shoppen oder gar arbeiten zu gehen. Auswanderung wäre jedoch nicht die schlechteste Lösung für den Gaza-Streifen. Die Erwartung größerer Investitionen nach Abschluss eines Friedensvertrags ist eine Illusion, es gibt bereits mehr als genug billige Arbeitskräf­te in der Region. Gaza bliebe ein von ausländischer Hilfe abhängiges Armutsgebiet.

Wenn die »internationale Gemeinschaft« jedem Einwohner Gazas eine Green Card und Startgeld anbieten würde, fiele es der Hamas schwerer, die Not der Zivilbevölkerung als Druckmittel einzusetzen. Dem Westen sind die Palästinenser jedoch ebenso wenig willkommen wie ihren »arabischen Brüdern«, die ägyptischen Sicherheitskräfte achten darauf, dass keiner weiter kommt als bis al-Arish, der nächsten größeren Stadt auf dem Si­nai. Auch die Hamas will, dass die Einkäufer zurückkehren. Schließlich gilt es, weitere Krisen zu provozieren, insbesondere wenn es Fortschritte bei den Friedensverhandlungen gibt.

Die so genannte Realpolitik hat in Gaza versagt. Yona Metzger, Oberrabiner der aschkenasischen Juden, möchte nun mit westlicher Hilfe »ein wundervolles neues Land« mit moderner Infrastruktur für die Einwohner Gazas errichten – auf dem Sinai. Die Bereitschaft, neue Lösungen in Betracht zu ziehen, scheint gering zu sein, möglicherweise hat die Hamas jedoch unfreiwillig Hinweise dafür gegeben, wie der Bevölkerung Gazas an den Islamisten vorbei ökonomische An­reize geboten werden können. Die ideologische Fanatisierung mag weit verbreitet sein, doch nach Ägypten ergoss sich keine Masse von Jihadisten, sondern von Einkäufern, die im Übrigen davon profitierte, dass der israelische Shekel, die Währung in Gaza, just in diesen Tagen den höchsten Kurs seit fünf Jahren im Vergleich zum ägyptischen Pfund erreichte.

Amnestie und Integration

Auch nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens im Jahr 2002 starben im Kongo mehr Menschen als in jedem anderen derzeitigen bewaffneten Konflikt. Ein in der vergangenen Woche veröffentlichter Bericht des Interna­tional Rescue Committee schätzt die Gesamtzahl der Kriegstoten auf 5,4 Millionen, allein zwi­schen Januar 2006 und April 2007 starben mehr als 700 000 Menschen, die meisten an Unterernäh­rung und Krankheiten.

In Goma wurde am Mittwoch der vergangenen Woche ein Friedensabkommen von der Regierung und 20 Milizen unterzeichnet. Es sieht einen Waffenstillstand vor, Soldaten der UN-Interventionstruppe Monuc sollen in Pufferzonen zwi­schen den Stellungen stationiert werden. Die Guerilleros werden amnestiert, sie sollen in die Armee des Kongo integriert werden. Abgesehen von der Frage, was das für die bereits wegen ihrer Brutalität und Korruption berüchtigte Armee ­bedeutet, ist unklar, ob die Milizen sich an das Abkommen halten oder die Kampfpause für eine Reorganisierung nutzen werden.