Die Rapper, die es verdient

andreas hartmann fährt mit Ihnen im Karussell des deutschen HipHop!

An Bushido und Sido hatten wir uns gewöhnt. Mit Songs über »Gangbangs«, »Arschficken« und das »Ghetto« sind sie bekannt und einigermaßen wohlhabend geworden. Bushido glaubt mitt­lerweile fest an Allah und lässt sich von seiner Mutter in einer neuen Villa in Berlin-Dahlem die Wäsche machen. Sido hat die Maske abgenommen, ist Familienvater und würde seiner eigenen Tochter keinesfalls den »Arschficksong« vorspielen. Kürzlich hat jedoch ein anderer Rapper Aufmerksamkeit erregt: Kurz vor der Veröffentlichung seiner neuen Platte wollte Massiv aus nächster Nähe angeschossen worden sein. Der bekennende Palästinenser, der in Pirmasens geboren wurde, aus Gründen der »Credibility« aber nach Berlin umgezogen ist, hat häufiger Bodybuilding betrieben und ist stärker tätowiert als Bushido und Sido. Massiv ist der Muskelmann, der auf irgendetwas stolz ist und von sich behauptet: »Ein Mann, ein Wort!« Ein echter Kerl halt, ein Gangsta-Rapper. Ein Spezifikum in dieser Szene, die sich deutscher HipHop nennt, ist: Jeder hat da seine Rolle. Und Bushido, Sido und Massiv haben wirklich sehr interessante Kollegen. Wir präsentieren eine kleine Auswahl.

B-Tight

B-Tight ist der »Neger«. Dem Titel seines zweiten Albums zufolge auch: der »Neger-Neger«. Dementsprechend ist er behängt wie ein Pferd, was zumindest ein zu Zwecken der Promotion versandter Dildo in »garantierter Originalgröße« nahelegen soll. B-Tight kommt aus Berlin und ist natürlich »aggro«.

Zwei Seelen leben, ach, in seiner Brust. Der »Neger«, dem das »urwüchsige«, »animalische« Prinzip zugeschrieben wird, steckt in ihm und frisst sich durch ihn hindurch wie das »Alien« in den gleichnamigen Filmen durch seinen Wirt. Animalisch wird es dann, wenn B-Tight böse wird oder wenn er seinen Mann stehen muss. Das Durchspielen rassistischer Stereotype ist sein ganzes Programm. Sein Mr. Hyde-Alias heißt »Bobby Dick« und fickt alles, was nicht bei fünf auf den Bäumen sitzt. »Bobby Dick« ejakuliert gerne Frauen in den Mund. Das sagt er zumindest in einem seiner Songs.

Beste Songzeile: »Mein Rap ist ein Schwanz und der ist der dickste / Rapper schlucken ihn wie Bitches Wichse.«

Fler

Fler fühlt sich, so behauptet er im Titel seiner neuen Platte, »fremd im eigenen Land«. Käme der Rapper nicht aus Berlin, sondern aus Hessen, hätte er natürlich Roland Koch gewählt oder ihm gleich eine Wahlkampfhymne geschrieben. Derzeit ist Fler bitter verfeindet mit Bushido, dessen bester Freund er einmal war.

Fler hat schon früh das entdecken müssen, über das zurzeit überall diskutiert wird, nämlich dass auf deutschen Schulhöfen »Deutscher« ein Schimpfwort ist. Die Türken, die Albaner, alle seine Freunde mit migrantischem Background, sind stolz auf ihre Herkunft, doch stolz auf Deutschland sind nur die Nazis, und zu denen möchte Fler nach eigener Aussage nicht gezählt werden. Doch er will eben auch ein wenig stolz auf etwas sein, als Rapper, nicht als Nazi. Dass sich damit die Antifa provozieren lässt, passt ihm gut ins Konzept, weswegen er nur noch umso fleißiger auf »Schwarz-Rot-Gold« setzt und Herrenmensch-Posen einübt. Er ist in Wirklichkeit wahrscheinlich ein lieber Kerl, anders als seine Kollegen »zerfickt« er jedenfalls verbal keine »Bitches«.

Beste Songzeile: »Das ist Schwarz-Rot-Gold, hart und stolz.«

King Orgasmus

Er wird auch »King Orgasmus One« genannt. Seine Fans nennen ihn liebevoll »Orgi«. Er saß vor kurzem als Streiter für den Sexismus im HipHop sogar gemein-sam mit Alice Schwarzer in einer Talkshow auf der Couch.

Ist doch alles nur Spaß! Gangbang und Sex mit Tieren, wer träumt denn nicht davon? Männer wollen es, und, liebe Frauen, gebt es doch zu, ihr wollt es doch auch! Pornos sind großartig, und selbst einen zu

drehen, ist ein schöner Zeitvertreib. Wir leben in einer durchsexualisierten Gesellschaft, der HipHop ist einfach nur Teil davon. Und jetzt entschuldigen Sie mich

bitte, die Blonde da vorne braucht mich.

Beste Songzeile: »Ich will ohne Kondom!«

G-Hot

Auf den Rapper wartete eine goldene Zukunft, er galt als der neue »Derbste« der Republik, bis er zum Opfer einer Seifenoper wurde. Sein eigenes Label Aggro Berlin, dem sonst eigentlich nichts zu blöd war, distanzierte sich von ihm, als er in seinem Song »Keine Toleranz« zu Handgreiflichkeiten gegen Schwule aufrief.

»Schwul« als Ausdruck für Schlechtes oder Minderwertiges hat sich im HipHop durchgesetzt. Vor nichts hat man in der Szene mehr Angst als vor dem Verdacht, in einer Männerfreundschaft unter Umständen mehr sehen zu wollen, als ab und an gemeinsam ein Bier trinken zu gehen. »No homo« wird deswegen gerne an einen Satz angefügt, in dem Männer von irgendwelchen Erlebnissen zu zweit berichten. »Schwul« steht zwar für »scheiße«. Man habe jedoch nicht wirklich etwas gegen Schwule, lautet der Sprachkodex in der HipHop-Szene ungefähr. G-Hot hatte das nicht kapiert oder wollte es nicht kapieren.

Beste Songzeile: »Schwanz ab – keine Toleranz, wir dulden keine Schwuchteln.«

Joe Rilla

Er ist der selbsterklärte »Stolz aller Ostler«. Er hört auf den bürgerlichen Namen Hagen Stoll. Er wohnt freiwillig in der Platte, natürlich im Osten Berlins. Joe Rilla war einmal Hooligan und sieht auch so aus.

Die Ostalgie-Welle geht er härter an. Statt auf Spreewaldgurken und Ampelmännchen setzt Joe Rilla auf Proletenkult, Arbeiterstolz und Ehre. Er ist genau der Typ eines Anpackenden, von dem im real existierenden Sozialismus immer geträumt wurde. In seiner Welt fährt man gerne Trabi. Und wer am Boden liegt, dem hilft die Gemeinschaft wieder auf. Außerdem gilt: Kohlsuppe statt Bananen!

Beste Songzeile: »Wo sind meine Ostler?«

Bözemann

Er lebt, wie man in dem Video des Songs »Die Herausforderung« sieht, in einem Keller, in dem er den ganzen Tag Hanteln mit Autoreifen als Gewichten stemmt. Zwischen­durch schlägt er die Wand mit der eigenen Faust ein vor lauter Wut auf den Rapper Massiv, dem er nach eigener Aussage »den Schädel spalten« will. Nebenbei träumt er von Großalbanien.

Beim so genannten Battle-Rap ging es bis­lang darum, vom Gegner zu behaupten, er habe einen Kleineren als man selbst. Bözemann reicht das nicht aus. Er versteht den Battle-Rap anders: Der Feind muss nach Strich und Faden fertiggemacht werden! Bözemann lebt in seinem Loch in Stuttgart ganz offensichtlich nur für den Kampf gegen Massiv und pumpt deswegen den ganzen Tag Gewichte. Jedem, der etwas mit dem Konkurrenten aus Berlin zu tun hat, will er »in den Arsch ficken«. Was Bözemann mit Massiv anstellen möchte, sieht man am Ende des Videoclips: Er möchte den Berliner am liebsten in seinem Garten eigenhändig begraben.

Beste Songzeile: »Mann gegen Mann!« oder »Blut gegen Blut!«