Als die Bilder fliegen lernten

Sächsische Hooligans, aufgepasst! Die Landespolizei besitzt seit neustem eine unbemannte Überwachungsdrohne. Doch sie könnte nicht nur gegen randalierende Fußballfans, sondern auch bei politischen Demonstrationen eingesetzt werden. Die Ausgespähten bemerken die heimliche Videoüberwachung nicht. von carsten schnober

Ferngesteuerte Kameras überwachen öffentliche Straßen und Plätze rund um die Uhr: Dieses Szenario war noch vor 20 Jahren düsteren Science-Fiction-Filmen vorbehalten. Inzwischen unterliegen viele westeuropäische Fußgängerzonen beinahe andauernder Videoüberwachung. Ähnlich unvorstellbar wie damals die Allgegenwärtigkeit fest installierter Kameras ist es heutzutage, dass mit Kameras ausgestattete Flugdrohnen zur normalen Ausrüstung der Polizei zählen könnten.

Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hat nun die Übernahme der bislang vor allem militärisch genutzten Geräte im polizeilichen Bereich eingeleitet. Im Januar stellte er einen Maßnahmenkatalog gegen so genannte Fußball-Randalierer vor, zu dem unter dem Punkt »beweissichernde Strafverfolgung« die Anschaffung einer fliegenden Kamera gehört. Am 15. Februar ging die Drohne des Herstellers Microdrones in den Besitz der Landespolizei über.

Das Modell MD 4-200 kostet je nach Ausstattung etwa 10 000 Euro und lässt sich vielseitig einsetzen. Der mit vier Propellern ausgestattete Hubschrauber verfügt über eine Video­kamera und lässt sich über Funk steuern. Die aufgenommenen Bilder überträgt er direkt auf einen Computer-Monitor. Der Operationsradius reicht nach Herstellerangaben etwa 500 Meter weit, die Batterie ermöglicht eine Flugzeit von bis zu 20 Minuten. Um auch bei schlechten Lichtverhältnissen an verwertbare Bilder zu kommen, sind eine Infrarot- oder eine Wärmebildkamera erhältlich.

Die im Quadrokopter eingesetzte Software sorgt für eine gewisse Autonomie des Geräts. Die Flugdrohne kann selbständig Hindernissen ausweichen, ihre Position auch bei windigen Wetterverhältnissen halten und Landemanöver vornehmen. Auch eine Programmierung fester Wegstrecken mit Hilfe von Koordinaten des satellitengestützten Navigationssystems GPS ist möglich, so dass kein direkter Sichtkontakt notwendig ist.

Sächsischen Polizisten – die erlebnisorientierten Kollegen außen vor gelassen – kann man kaum verübeln, dass sie wenig Lust haben, ihre Köpfe hinzuhalten, wenn die Hooligans ihres Landes die gewaltsame Auseinandersetzung suchen. Sie haben im vergangenen Jahr mit zwei Überfällen auf Feiern von Anhängern rivalisierender Vereine und mit einer Hakenkreuz-Performance am Rande eines A-Jugendspiels in Leipzig besonders große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auch antisemitische und rassistische Drohungen gehören zum Alltag. Allein um den beschädigten Ruf des Landes wiederherzustellen, dürften die Landesbehörden durchaus ein echtes Interesse haben, die rechten Umtriebe und gewalttätigen Übergriffe in und vor den Stadien in den Griff zu bekommen.

Mit herkömmlichen Methoden wird die Polizei der Gewalt offenbar nicht Herr, und so erscheint der Einsatz der fliegenden Kameras als geeignetes Mittel im Kampf gegen die häufig rechtsex­tremen Schläger. Die unbemannten Helikopter könnten Stadiontribünen gefahrlos überfliegen und Gewalttäter identifizieren. Ihr Vorteil gegenüber stationären Kameras liegt vor allem darin, dass sie die Fangruppen auch außerhalb des Stadions begleiten können.

Natürlich birgt die Anschaffung von Flugdrohnen politische Brisanz. Zu häufig dienten in der Vergangenheit unangenehme Zeitgenossen wie rechte Hooligans als Legitimation für die Einführung neuer Überwachungsmöglichkeiten, die bald nicht mehr auf diese speziellen Einsätze beschränkt blieben. Gerade bei der Einführung polizeilicher Videoüberwachung wurden die anfänglich starken Restriktionen schnell abgeschwächt, um eine umfassendere staatliche Kontrolle des öffentlichen Raums zu ermöglichen.

Ein Werbevideo des Herstellers Microdrones zeigt eine Übung der französischen Polizei und illustriert zugleich, wo der Hersteller ebenfalls ein geeignetes Einsatzgebiet seiner Überwachungstechnik sieht. Eine mit Transparenten und Sprechchören als politische Demonstration gekennzeichnete Menschenmenge behält der Quadrokopter problemlos im Blick. Bei Einbruch der Dunkelheit kommt es im Video zu Ausschreitungen, in denen die Flugdrohne die Aufstandsbekämpfungseinheiten mit ihrer Infrarotkamera unterstützt. Die französischen Behörden haben bereits im Dezember Drohnen des Modells Elsa von der französischen Firma Sirehna eingekauft, die wohl auch die 4 000 zusätzlichen Polizisten unterstützen werden, die künftig in den Banlieues für Ruhe sorgen sollen. Auch in der Schweiz, Großbritannien und Italien sind die fliegenden Kameras bereits im Einsatz.

Die Kontrolle der neuen Technik ist ein wesentlicher Diskussionspunkt. Stationäre Kameras erfassen nur einen abgesteckten Radius. Hingegen eignen sich Flugdrohnen dazu, beliebige Ziele unter freiem Himmel spontan auszuspähen. Dauerhaft überwachte, öffentliche Plätze sind im Allgemeinen immerhin als solche gekennzeichnet, während die Aktivitäten der Flugdrohnen den beobachteten Personen häufig verborgen bleiben werden.

»Im Gegensatz zu fest installierten Überwachungskameras können Drohnen gezielt eingesetzt werden«, sagt der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert. »Dabei sind sie so leise, dass sie nicht gehört werden. Es handelt sich hier also um eine heimliche Video­überwachung.« Und die ist auch der Polizei ausschließlich zur Abwehr konkreter Gefahren gestattet. Allerdings werden beispielsweise linke Demonstrationen oft pauschal als gefährlich eingestuft und schon zurzeit häufig beinahe vollständig gefilmt. Aus dieser Erfahrung lässt sich ableiten, wie der nahezu unkontrollierbare Umgang der Behörden mit der neuen Technik aussehen wird.

Andreas Steinhauser vom Chaos Computer Club (CCC) hat bereits im vergangenen Sommer eine selbstgebaute Flugdrohne vorgestellt. Die Bauteile kosten weniger als 1 000 Euro, die Funktionalität gleicht der von Modellen kommerzieller Anbieter. Der so genannte Open­source-Quadrokop­ter zeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Überwachung aus der Luft auch für den privaten Bereich erschwinglich sein wird. Das Szenario vom allgegenwärtigen fliegenden Auge des Staates wird damit ergänzt: Technisch hochgerüstete Spießer beschreiten neue Wege des Nachbarschaftsterrors, der Spanner von nebenan erhält beängstigend weit gehende Einblicke, und über Häusern von Prominenten nimmt der von Paparazzi betriebene Luftverkehr überhand.

Aus diesen Gründen stuft der Hersteller AirRobot, in Deutschland der einzige Konkurrent von Microdrones, sein Produkt AR100-B im Gespräch mit der Jungle World als »kontrollwürdiges Gut« ein. Die Vorlage eines Gewerbescheins vor dem Kauf und die Überprüfung des Einsatzzwecks sollen einen Missbrauch der Technik verhindern.

Eine umfassende Kontrolle wird aber spätestens dann unmöglich, wenn die Flugdrohnen in großer Stückzahl in Umlauf sind und auch weiterverkauft werden. Der österreichische Verkaufsleiter von Microdrones, Paul Lehner, sieht die Firma nicht in der Verantwortung und verweist auf die auch in Deutschland gültige Rechtslage: »Es ist verboten, mittels Film und Foto in die Privatsphäre einer Person einzudringen. Daran hat sich mit der Drohne nichts verändert.« Die Opfer illegaler Einsätze von Flugdrohnen müssen diese aber erst einmal bemerken.