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Das Fiasko etlicher Landesbanken ist nicht nur ein Ergebnis der internationalen Finanz­krise. Die Struktur des deutschen Bankensektors ändert sich. Die zu erwartende Privatisierung wird die kapitalistische Normalität herstellen. von lutz getzschmann

Der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Landesbank (Bayern-LB), Werner Schmidt, am 19. Februar war kaum noch eine Überraschung. Drei Tage zuvor hatte die Bank Abschreibungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro angekündigt. Insgesamt vier Milliarden Euro hatte sie in hochriskante Wertpapiere investiert. Während Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) den Rücktritt begrüßt und von einem »zerrütteten Verhältnis« zwischen Schmidt und der Staatsregierung gesprochen hatte, machte die SPD im bayerischen Landtag unter anderem den CSU-Vorsitzenden und Finanzminister Erwin Huber für die Spekulationsverluste verantwortlich. Immerhin ist Huber Mitglied des Aufsichtsrats der Bayern-LB.

Inzwischen drohen auf den weltweiten Finanzmärkten bereits die nächsten Milliardenverluste. War bisher hauptsächlich von privaten Immobi­lien­krediten die Rede, so bekommen die Banken zunehmend Schwierigkeiten mit dem rapiden Wertverfall von Unternehmenskrediten. Allein unter den führenden Finanzunternehmen an der Wall Street werden deshalb für das erste Quartal 2008 Abschreibungen von 15 Milliarden Dollar erwartet. Ein großer Teil der riskanten Unternehmensdarlehen stammt aus dem lange Zeit lohnenden Geschäft mit Übernahmen und Fusionen. Auf ihm beruhende Finanzierungen und Wertpapiere sind nur noch schwer oder gar nicht mehr verkäuflich.

Angesichts solcher Unwägbarkeiten könnten auch auf die Großbanken in Deutschland Schwierigkeiten zukommen. Auch Fusionen werden möglich. Neben der Postbank könnte das vor allem die Landesbanken betreffen. Vielleicht muss die Bayern-LB mit der Landesbank Baden-Württemberg fusionieren, die bereits die sächsische Landesbank (Sachsen-LB) erworben hat. Noch sträubt sich die bayerische Staatsregierung, aber der ökonomische Druck könnte schon bald dazu führen, dass sie ihre Meinung ändert.

Auch die Westdeutsche Landesbank (West-LB) ist stark von der Finanzkrise betroffen. Der Zusammenschluss mit der Hessischen Landesbank sollte im Dezember 2007 die von Verlusten in immer noch nicht restlos geklärter Höhe erschütterte West-LB retten. Außerdem hatte der Vorstand angekündigt, 1 500 Arbeitsplätze zu streichen. Im Zuge einer mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung vereinbarten Risikoabschirmung sollten Wertpapiere in Höhe von etwa 23 Milliarden Euro in eine Zweckgesellschaft verlagert werden, hauptsächlich mit dem Ziel, das Risiko weiterer fauler Kredite zu begrenzen. Darüber hinaus hatte die Landesregierung angekündigt, Verluste der Landesbank in Milliardenhöhe zu übernehmen. Doch die hessische Landesregierung brach am Donnerstag voriger Woche die Verhandlungen ab. Die Gefahr eigener hoher Verluste schien den Verantwortlichen zu groß zu sein.

Der Streit um die Zukunft der Landesbanken offenbart ein großes Strukturproblem. Hervor­gegangen sind die Landesbanken aus den Staatsbanken der Bundesländer, gedacht waren sie als Instrumente regionaler Wirtschafts- und Strukturpolitik. Die klassischen Aufgaben der regionalen Wirtschaftsförderung gehören mittlerweile aber nicht mehr zu den vorrangigen Betätigungsbereichen, denn das Fördergeschäft ist in den meisten Ländern in eigene Banken ausgegliedert. Stattdessen ließen sich die Landesbanken in den vergangenen Jahren immer wieder auf riskante, internationale Anlagegeschäfte ein, für die sie aber eigentlich zu klein sind. Nur so konnten sie die Kosten für den großen Mitarbeiterstab und Renditen für die Eigentümer – die Landesregierungen und die regionalen Sparkassenverbände – erwirtschaften.

Der Funktionswandel der Landesbanken steht im Zusammenhang mit der Neustrukturierung des Bankwesens. Hatten die Landesbanken noch vor einigen Jahren eine Mittlerfunktion zwischen staatlicher Förderpolitik und den ebenfalls öffentlich-rechtlich eingebundenen Sparkassen, als deren Zentralbanken sie fungieren sollten, so haben sie diese Funktion inzwischen beinahe verloren. Die Hamburger Sparkasse etwa, die selbst so groß ist wie eine kleine Landesbank, kommt gut ohne die Hamburgische Landesbank aus. Das gilt auch für die Köln-Bonner Sparkasse und die sächsischen Großsparkassen. »Weil die Sparkassen gewachsen sind, können sie heute viele Geschäfte selbst machen, für die sie früher die Landesbanken gebraucht hätten«, zitiert die Welt Dietmar Binkowska, den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Köln-Bonn, der zweitgrößten in Deutschland.

Vermutlich sind die Krisen der Landesbanken, angefangen mit dem Berliner Bankenskandal bis zu den nun durch die Immobilienkrise entstandenen Schwierigkeiten der inzwischen von Baden-Württemberg übernommenen Sachsen-LB, der West-LB und der Bayern-LB, nur der Auftakt für eine große Umstrukturierung sowohl der Landesbanken als auch der Sparkassen. Diese wäre ganz im Sinne der privaten Großbanken, die bereits seit langem den Rückzug des Staates aus dem Finanzgeschäft fordern. Mit einem Anteil von 36 Pro­zent am gesamten Bankengeschäft sind die Landesbanken und die Sparkassen immer noch die stärkste Kraft im deutschen Kreditgewerbe. Hinzu kommen weitere zwölf Prozent der genossenschaftlich organisierten Volks- und Raiffeisenbanken.

Letztlich ist also nach wie vor beinahe die Hälfte des klassischen Bankgeschäfts in den Händen von Unternehmen, die entweder nach dem Gesetz verpflichtet sind, dem Gemeinwohl zu dienen, indem sie die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen in ihrer Region sicherstellen, wie etwa die Sparkassen. Oder sie dienen vornehmlich den Interessen ihrer Mitglieder, wie die Volks- und Raiffeisenbanken. Diese Einschränkung für das freie Walten der Finanzmärkte soll nach dem Willen der Lobbyisten beseitigt werden. »Auch in Deutschland soll der Kapitalmarkt die Hauptrolle spielen, neben ihm soll es künftig nur noch private Banken geben«, zitiert die Hans-Böckler-Stiftung die Wirtschaftswissenschaftler Franklin Allen und Reinhard H. Schmidt. Bereits vor zwei Jahren erklärte die EU-Kommission auf Drängen der privaten Banken staatliche Garantien für Sparkassen und Landesbanken für unrechtmäßig, weil sie als Subventionen den Wettbewerb verzerrten. Das hinderte die nordrhein-westfälische und die bayerische Landesregierung allerdings nicht daran, ihren gefährdeten Instituten zu helfen.

Auch der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fordern seit geraumer Zeit die Privatisierung der Landesbanken und Sparkassen. Zur Folge hätte sie sicherlich vor allem eine drastische Konzentration des Kapitals auf wenige große Finanzunternehmen. Die Abkehr vom rheinischen Kapitalismus hin zur kapitalistischen Normalität ist also auch im deutschen Finanzsektor mittelfristig zu erwarten. Neben Tausenden Arbeitsplätzen, die eine solche Entwicklung kosten wird, dürfte dies auch eine Verschärfung im Umgang mit kleinen Kreditnehmern und wenig zahlungskräftigen Kunden zur Folge haben. In Großbritannien etwa, wo das Kreditgeschäft seit langem in ausschließlich privater Hand ist, haben rund drei Millionen Haushalte keine Chance auf ein Girokonto.