Teufel, komm raus!

Die Grün-Alternative Liste ist nach der Wahl die drittstärkste Partei in Hamburg. Doch die Freude hält sich in Grenzen: Neben der Oppositionsrolle bleibt ihr nur ein Regierungsbündnis mit den Konservativen. CDU-Politiker buhlen schon um die Grünen. von andreas blechschmidt

Wenige Augenblicke, nachdem am Sonntag in Ham­burg die erste Trendmeldung zur Wahl veröffentlicht worden war, gab es nur Sieger. Die CDU blieb trotz des Verlusts der absoluten Mehrheit die stärkste Fraktion, die SPD freute sich über einen Stimmenzuwachs von über drei Prozent. Die Grün-Alternative Liste (Gal) blieb mit fast zehn Prozent der Stimmen die drittstärkste Kraft in der Stadt. Die FDP durfte sich für wenige Stunden in der Bürgerschaft wähnen, während die Linkspartei gleich bei ihrem ersten Antritt zur Wahl über sechs Prozent der Stimmen erhielt.

Ole von Beust (CDU) sprach von einem »hervor­ragenden Ergebnis«, der Herausforderer von der SPD, Michael Naumann, hatte sein höchstes Wahl­ziel erreicht, nämlich die Alleinherrschaft der CDU zu beenden. Der Spitzenkandidat der FDP, Hinnerk Fock, gab an, bis zur endgültigen Bestätigung eines Ergebnisses von fünf Prozent »positiv zu zittern«, was immer das bedeuten mochte, wurde aber doch enttäuscht. Dora ­Heyenn, die Spitzen­kandidatin der Linkspartei, sagte: »Wir sind in der Bürgerschaft, das ist ein Grund zum Feiern.« Der Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütiko­fer, sprach als Gast auf der Wahlparty der Gal von einem »spannenden Ergebnis«. Mühsam verbargen alle Funktionäre hinter den Worthülsen die Enttäuschung über die verfehlten Wahlziele. CDU und FDP hatten von einem schwarz-gelben Regie­rungsbündnis geträumt, SPD und Grüne hatten gehofft, gemeinsam die allein regierende CDU ab­lösen zu können. Die Linkspartei hatte auf ein Er­gebnis von über zehn Prozent spekuliert.

Wirklich gute Stimmung herrschte nur auf der Wahlparty der CDU am hanseatischsten aller Orte Hamburgs, der ehemaligen Fischauktionshalle direkt an der Elbe. Befreit genoss man eines der besten Wahlergebnisse in der Geschichte der Ham­burger CDU, trotz eines Verlustes von über vier Prozent. Vorbei sind die Zeiten, als man Stimmen­anteile unter 30 Prozent zu verkraften hatte. Egal, wie künftige Konstellationen aussehen werden, nun, da die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen hat: die CDU wäre als stärkste Fraktion immer dabei.

In der ersten Stunde wurden in der Fischauktionshalle die Spekulationen zu Schwarz-Grün noch mit Missfallen kommentiert. »Hier sind Grüne noch ein Schimpfwort«, wusste eine NDR-Reporterin zu berichten. Nachdem aber die Oberen der CDU der Gal Gespräche angeboten hatten, gehorchte die Basis aufs Wort. Schon am Montag konnte man in der Lokalpresse vom Stimmungswechsel unter den Christdemokraten lesen, der sich in wohlmeinenden Stellungnahmen für Schwarz-Grün zeigte. Beust gab sich staatsmännisch, bot der Gal und der SPD mehrfach am Wahlabend Sondierungsgespräche an. Die Privatisierung ehemals städtischen Eigentums, von Krankenhäusern und Energieunternehmen gegen den Willen der Mehrheit der Hamburger Bevölkerung haben der CDU ebenso wenig geschadet wie die von ihr veranlasste massive Kürzung von Mitteln in den Bereichen Bildung, Arbeit und Soziales.

Die SPD konnte zwar einen Stimmenzuwachs von 3,6 Prozent verzeichnen. Aber wie soll sie mit dem zweitschlechtesten Ergebnis, das die Partei jemals bei einer Wahl in Hamburg erhalten hat, zufrieden sein? In der Diskussion um den Umgang mit der Linkspartei schwor der SPD-Spitzenkandidat Naumann in der Woche vor der Wahl öffentlich, keinerlei Verbindungen mit ihr einzugehen: »Beim Leben meiner Kinder!« Nun hofft die SPD, nachdem die rot-grünen Träume nicht in Erfüllung gegangen sind, darauf, dass die CDU im Hinblick auf eine Große Koalition auf sie zugehen muss. Spekulationen um eine schwarz-grüne Koalition nützen der Hamburger SPD strategisch. Denn unter Naumanns Führung könnte sie in der Opposition ihr Ansehen für die Wahlen 2012 verbessern, anstatt sich in einem ungeliebten Bündnis mit der CDU abzunutzen.

Dass politischer Erfolg eine relative Größe ist, erfährt aber keine Partei so deutlich wie die Gal. Als die Hochrechnungen den Erfolg bestätigten, blieb es totenstill auf der Wahlkampfparty in der Bar »Herzblut« auf der Reeperbahn. Die Hoffnung auf eine rot-grüne Mehrheit war dahin. Sofort ein­setzende Spekulationen der Berichterstatter über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis wurden mit Buhrufen bedacht. »Es gibt keinen klaren Wäh­lerauftrag. Mir fehlt die Fantasie, wie das mit der CDU oder den Linken gehen soll«, gab der stellver­tretende Vorsitzende der Gal-Bürgerschaftsfraktion, Christian Maaß, ernüchtert zu bedenken. Das sehen im Hinblick auf die Linkspartei viele Mitglieder der Basis anders. Ein anonymer Besucher der Wahlparty sagte prompt in die Mikrofone eines lokalen Fernsehsenders, er favorisiere auf jeden Fall ein rot-rot-grünes Bündnis. Daran wird sich die SPD erklärtermaßen nicht beteiligen.

Den Hamburger Grünen bleibt somit neben dem Gang in die Opposition nur noch die seit Wochen kolportierte Option auf eine Koalition mit der CDU. Diesbezüglich waren die Angebote am Wahl­abend und tags darauf auf Seiten der CDU mehr als eindeutig. Der CDU-Generalsekretär Roland Po­falla ließ aus Berlin verlauten: »Die­se Option ist für Hamburg, aber auch für den Bund interessant und würde die politische Farbenlehre bereichern.« Der Ministerpräsident des Saarlands, Peter Müller (CDU), hält eine schwarz-grüne Regierung für eine »realistische Option«, der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundes­tagsfraktion, Wolfgang Bos­bach, sieht bei der Gal und der CDU »Gemeinsam­keiten in der Finanz- und Haushaltspolitik und in Grundwertefragen«.

Die Gal-Vorsitzende Christa Goetsch zeigte sich vorerst distanziert: »Wir wollen nicht auf Teufel komm raus an die Macht. Wir wollen schließlich nicht unsere Glaubwürdigkeit verlieren.« Notfalls gehe man »erhobenen Hauptes in die Opposition«. Die Konsensformel, die sich im Laufe des Wahl­abends fast alle hochrangigen Vertreter der Gal und der Bundesgrünen zu eigen machten, besagte, dass rechnerische Mehrheiten eben noch keine politischen Mehrheiten seien. Bei Themen wie der Elbvertiefung, dem Neubau eines Kohlekraftwerks und der Bildung gelten die Unterschiede derzeit noch als unüberbrückbar. Erstaunlicherweise werden die Innenpolitik und die Bürgerrechte gar nicht erwähnt. Eine Vorentscheidung wird das Votum der Landesmitgliederversammlung der Gal bringen. Ob es dort eine Zustimmung für Koalitionsverhandlungen mit der CDU geben wird, weiß zurzeit niemand, am wenigsten die Hamburger Parteispitze der Gal.

Dabei hielt es eigentlich die Hamburger FDP vor der Wahl für möglich, eine Koalition mit der CDU einzugehen. Doch nach den ersten positiven Hochrechnungen musste es der Spitzenkandidat Fock um 23 Uhr hinnehmen, dass es mit 4,7 Prozent wieder nicht gereicht hatte. Es mag ein schwacher Trost sein, dass andere Mitbewerber ähnlichen Frust verarbeiten mussten. Die DVU erhielt nur 0,7 Prozent. Der ehemalige Justizsenator Roger Kusch hatte nach eigener Aussage mit dem Einzug seiner rechtspopulistischen Partei in die Bürgerschaft gerechnet, hat sein Ziel aber mit 0,7 Prozent verfehlt. Aber er hat mehr erreicht als Dirk Nockemann. Der ehemalige Innensenator, der früher der Schillpartei angehörte, erhielt mit seiner Zentrumspartei 652 Stimmen, was in etwa 0,0 Prozent entspricht.