Doping statt Dope
Die Referenten waren sich im Großen und Ganzen einig. Sie kritisierten vor allem den übermäßigen Einfluss, den die Politik auf die Ausrichtung von Suchtprävention und Therapien ausübt. Bei der Konferenz zur »integrierten Drogenpolitik und Drogenarbeit« am 28. und 29. Februar im Schauspielhaus in Frankfurt am Main verdeutlichten Sucht- und Drogenexperten die oft katastrophalen Auswirkungen der ideologischen, auf Abstinenz ausgerichteten nationalen und internationalen Drogengesetzgebung. Diese steht oft im krassen Widerspruch zu den Erfahrungen aus der praktischen Drogenarbeit und zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Wie unüberwindlich diese Kluft ist, zeigt etwa die vor zwei Wochen vom Bundesrat beschlossene »21. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung«. Die längst überfällige Umstufung von Heroin zu einem verschreibungsfähigen Betäubungsmittel fehlt darin. Dabei haben die Ergebnisse einer großen Heroinstudie zweifelsfrei ergeben, dass die ärztliche Verabreichung des Opiats an so genannte schwerstabhängige Konsumenten deren gesundheitlichen und sozialen Zustand deutlich verbessern kann. Auch geht die Beschaffungskriminalität zurück. Dass die Umstufung nicht erfolgte, dafür hatten die Hardliner der Bundestagsfraktion von CDU und CSU gesorgt, übrigens auch gegen das Drängen mancher von der Union regierter Länder und Kommunen, die mit dem Modellprojekt gute Erfahrungen gemacht haben.
Dafür wurde der Zaubersalbei (Salvia divinorum) dem betäubungsmittelrechtlichen Totalverbot unterworfen. Obwohl die gesundheitlichen Risiken dieser Rausch erzeugenden Salbeiart rein hypothetisch sind, werden die Konsumenten der seit Jahrtausenden genutzten Naturdroge ab sofort in die Kriminalität gedrängt. Zudem bedeutet das Verbot einer Substanz auch, dass staatliche Stellen keine Aufklärungsarbeit mehr leisten dürfen, die vor allem zum Ziel hat, die gesundheitlichen Risiken der Drogenkonsumenten zu reduzieren.
Ein weiterer allgemeiner Trend, der auch Thema auf der Frankfurter Drogenkonferenz war, zeigt sich in der neuen Betäubungsmittelverordnung: Synthetische, psychoaktive Substanzen, die von der Pharmaindustrie gezielt entwickelt und als Arzneimittel vermarktet werden, gewinnen international an Bedeutung für das »Alltagsdoping der Normalbevölkerung«. Das berichtete Ambros Uchtenhagen, der u.a. für die Weltgesundheitsorganisation als Suchtexperte tätig ist. »Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für die Prävention, etwa in der Bereitstellung nicht interessengeleiteter Informationen zu solchen Substanzen«, sagte Uchtenhagen der Jungle World.
Der Trend zum Alltagsdoping schlägt sich etwa darin nieder, dass die Substanz Modafinil aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen wurde. Modafinil gehört zu einer völlig neuen Klasse von psychotropen Stoffen, den so genannten kognitiven Enhancern. Diese Substanzen erhöhen gezielt, aber weitgehend unauffällig die Leistungsfähigkeit des Gehirns, indem sie wacher machen und die Konzentrationsfähigkeit erhöhen, ohne dabei wie Amphetamine aufputschend zu wirken. Zurzeit wird Modafinil von dem amerikanischen Pharmakonzern Cephalon unter dem Namen Vigil als Mittel gegen extreme Tagschläfrigkeit und das Schichtarbeiter-Syndrom vermarktet. Doch an einer Indikationserweiterung werde bereits geforscht, sagte der Psychiater Franz X. Vollenweider der Jungle World. An seinem Institut in Zürich laufen bereit klinische Studien zur Wirkung der neuen Wunderdroge auf Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und auf schizophrene Patienten. Hinsichtlich der Auswirkungen bei langfristiger Einnahme seien jedoch noch viele Fragen offen, so Vollenweider.
Der Drogenexperte Günter Amendt sieht in der medizinischen Verfügbarkeit von Modafinil seine Anfang der siebziger Jahre aufgestellte These von der chemischen Optimierung des Menschen durch die Pharmaindustrie bestätigt.