Ein Herz für Israel – und Iran

Nach dem Besuch von Angela Merkel in ­Israel scheint das deutsch-israelische Verhältnis harmonischer denn je zu sein. Dennoch laufen die deutschen Geschäfte mit dem größten Feind des jüdischen Staats munter weiter. von benjamin weinthal

Als erste ausländische Regierungschefin überhaupt und als erste deutsche Bundeskanzlerin durfte Angela Merkel in der Knesset sprechen. »Die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar«, sagte sie, und dass Deutschland Israel »nie allein lassen, sondern treuer Freund und Partner« sein werde. Beginnt 60 Jahre nach der Gründung Israels eine wunderbare Freundschaft zwischen den beiden Staaten?

Auf der israelischen Seite gibt es nach wie vor ein tiefes Misstrauen gegen die Sonntagsreden der Bundesregierung. Denn Deutschland ist trotz sin­kender Ausfuhren nach wie vor der wichtigste Handelspartner des Iran. Zwischen Januar und November 2007 wurden Waren im Wert von 3,2 Milliarden Euro exportiert, die Importe aus dem Iran stiegen im vergangen Jahr um rund 50 Prozent auf 580 Millionen Euro. Der deutsche Energiekonzern RWE ist seit Anfang Februar am Gaspipelineprojekt »Nabucco« beteiligt. »Lieferungen aus Iran sind nicht ausgeschlossen«, sagte Reinhard Mitschek, der Geschäftsführer des Nabucco-Konsortiums, Ende Dezember dem Handelsblatt.

Das deutsche und das europäische Interesse an iranischem Gas und die weit verbreiteten anti­israelischen Haltungen sind weiterhin Herausforderungen für das deutsch-israelische Verhältnis. Am Ergebnis einer Umfrage der EU aus dem Jahr 2003, wonach zwei Drittel der Deutschen Israel als größte Gefahr für den Weltfrieden betrachten – nicht etwa den Iran – dürfte sich seither nichts Grundlegendes geändert haben.

Die häufigen Bekundungen deutscher Politiker, Deutschland trage eine »besondere Verantwor­tung« für die Existenz des Staates Israel, veranlassten kürzlich Shimon Stein, den ehemaligen israelischen Botschafter, in der Zeit die Frage zu stellen: »Welche Schritte wäre eine deutsche Regierung zu unternehmen bereit, um dieser Verantwortung gerecht zu werden?« Steins Skepsis ist begründet. Als Israel während des Yom-Kippur-Krieges 1973 um seine Existenz kämpfte und beinahe eine Niederlage erlebte, lehnte Deutschland es ab, seinen Luftraum der amerikanischen Luftwaffe zur Verfügung zu stellen. Die Amerikaner wollten Israel damals mit einer Luftbrücke unterstützen.

Ist plötzlich alles anders geworden? Bisher verbrüderte sich Deutschland mal mit Israel, mal mit den arabischen Ländern und gefiel sich im Nahostkonflikt in der Rolle des Vermittlers. Während ihrer dreitägigen Reise aber setzte Merkel die Sicherheit Deutschlands mit der Israels gleich und betonte so deutlich wie keiner ihrer Vorgänger im Kanzleramt die Solidarität mit dem jüdischen Staat. Doch was heißt das konkret? Offenbar nicht, die diplomatischen und ökonomischen Beziehungen zu dem Regime in Teheran abzubrechen. Dass der iranische Präsident Mah­moud Ahmadinejad den Holocaust leugnet, hätte schon Grund genug sein können, nicht nur, weil das in Deutschland strafbar ist. Der Stellvertreterkrieg, den Hamas und Hizbollah im Namen des Iran führen, die vielen Raketen, die auf Israel abgefeuert werden, wären weitere Grün­de.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Wirtschafts­beziehungen zum Iran zu lukrativ sind, um sie aufzugeben. So ist etwa die iranische Schwerindus­trie von deutschen Importen nahezu abhängig. Siemens, Thyssen-Krupp, Daimler, VW, MAN-Ferrostaal und Bayer verdienen ordentlich an ihren Geschäften mit dem Iran. Wegen des deutschen Einflusses dort überschrieb die Jerusalem Post einen Kommentar zum Besuch Merkels treffend: »Deutschland hält den Schlüssel in der Hand.« Israelische Sicherheitsexperten wie Yossi Klein Halevi argumentieren, dass der Nahostkonflikt nur bewältigt werden könne, wenn man der aggressiven Außenpolitik des Iran etwas entgegensetzt.

Einem Bericht der Haaretz zufolge planen der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und Angela Merkel einen internationalen Gipfel, bei dem über das iranische Nuklearprogramm beraten werden soll. Zwei gänzlich andere Konferenzen Anfang Mai werden sich dagegen die Beziehungen Deutschlands und Österreichs zum Iran vornehmen. Das Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) wird am 2. und 3. Mai eine internationale Tagung in Berlin veranstalten mit dem Titel: »Das iranische Regime, der heilige Krieg gegen Israel und den Westen und die deutsche Reak­tion«. Ulrike Becker von MFFB sagte der Jungle World: »Die bisherige deutsche Iran-Politik hat dem Iran Zeit verschafft, sein Atomprogramm zu entwickeln. Diese Strategie ist komplett gescheitert. Deutschland als einer der wichtigsten ökonomischen Partner des Iran hat viele Möglichkeiten, den Iran unter Druck zu setzen.«

Nahezu gleichzeitig veranstaltet die Initiative Stop The Bomb am 3. und 4. Mai in Wien eine Tagung zu Österreichs »Appeasementpolitik« gegenüber dem Iran. Stop The Bomb will ein Geschäft des österreichischen Energiekonzerns OMV mit dem Iran verhindern, bei dem es um Gas und Öl geht. »Nach dem Deal der Schweizer EGL mit dem Iran hat das geplante Milliarden-Geschäft der OMV eine noch größere Bedeutung gewonnen. Noch könnte die iranische Bombe durch politischen und ökonomischen Druck, also Sank­tionen, vermutlich gestoppt werden«, sagte Presse­sprecherin Simone Dinah Hartmann der Jungle World. Am 17. März unterzeichnete die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) einen Liefervertrag für Gas im Umfang von 18 Milliarden Euro mit dem Iran.

Für Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) scheint ein konfrontatives Vorgehen gegen den Iran nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Das Auswärtige Amt weigerte sich nach Informationen eines Vertreters einer Nichtregierungsorgani­sation, neue EU-Sanktionen gegen die iranischen Banken Melli und Saderat durchzusetzen. Merkel hingegen will das Geschäft mit den beiden Banken einstellen.

Ironischerweise vertritt Merkel derzeit eine »anti­deutsche« Haltung, zumindest in der Hinsicht, dass sie sich von den Einstellungen der deutschen Bevölkerung zu Israel deutlich unterscheidet. Nach einer Umfrage des Spiegel wollen 91 Prozent der Befragten »neutral« im israelisch-palästinensischen Konflikt bleiben, und nur drei Prozent der Befragten stehen auf der Seite Israels. Nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aus dem vorigen Jahr sind 78 Prozent der Israelis der Meinung, dass Deutschland eine »besondere Verantwortung« für den jüdischen Staat trage. Dagegen stimmen nach einer aktuellen Umfrage der Fernsehsender Sat1 und N24 die Mehrheit der Deutschen (52 Prozent) der Aussage nicht zu, dass Deutschland »60 Jahre nach der Staatsgründung Israels und 63 Jahre nach dem Holocaust« eine be­sondere Verantwortung für den Staat Israel habe.

Der so genannte Linksschwenk in der deutschen Gesellschaft ändert daran wenig, eher im Gegenteil. So kritisierte der ehemalige grüne Umweltminister, Jürgen Trittin, Merkels Rede in der Knesset und plädierte für Gespräche mit der Hamas. Bereits im vorigen Jahr hatte er in einem Interview mit der taz gefordert: »Wir müssen mit der Hizbollah reden.«

Die Linkspartei lud bereits im Jahr 2006 einen Politiker der Hamas nach Berlin ein. Der außenpolitische Sprecher der »Linken«, Norman Paech, der soeben eine Woche in den palästinensischen Gebieten weilte, um sich »vor Ort persönlich ein Bild von der Situation« zu machen«, beruft sich gern auf die schärfsten Kritiker Israels. So kommt auf seiner Homepage der Historiker Ilan Pappe zu Wort, der seinen Werken Titel wie »The Mega Prison of Palestine« oder »Die ethnische Säuberung Palästinas« gibt. Vor einer Woche gab Pappe der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften National-Zeitung, von deren politischer Ausrichtung er aber nichts gewusst haben will, ein Interview. Henryk M. Broder kommentierte auf der »Achse des Guten«: »Pappe weiß alles über die ethnische Säuberung Palästinas, aber warum Neonazis und Antisemiten so scharf darauf sind, sich mit Juden zu schmücken, weiß er nicht.« Auf Paechs Webseite steht übrigens »Die Linke duldet keinen Antisemitismus.«

»Merkel darf sich nicht von der Umarmung Israels erdrücken lassen«, kommentierte die Süddeutsche Zeitung den Besuch der Bundeskanzlerin in Israel. Deutschland dürfe nicht »Bushs Kapital­fehler« begehen und »im Friedensprozess einseitig agieren«, hieß es dort weiter. Eldad Beck, Deutschlandkorrespondent der größten israelischen Tageszeitung Jedioth Achronot, stellte im Gespräch mit der Welt am Sonntag ganz richtig fest: »Die Israelis haben den Deutschen ­Auschwitz viel schneller verziehen, als die Deutschen den Israelis Auschwitz verziehen haben.«