Der niederländische Islam-Film »Fitna«

Kein Liebesfilm

Terroralarm in den Niederlanden. Der Parlamentsabgeordnete Geert Wilders hat seinen Islam-Film »Fitna« trotz aller Befürchtungen und Drohungen ins Internet gestellt. Die Debatte um Meinungs- und Religionsfreiheit in den Niederlanden bleibt potenziell gewalttätig.

Bis zuletzt wurde heftig darüber spekuliert, ob und wann der umstrittene Islam-Film von Geert Wilders in der Öffentlichkeit gezeigt werden würde. Seit Ende vergangenen Jahres, als bekannt wurde, dass der Fraktionsvorsitzende der rechtsliberalen Freiheitspartei PVV an einem Film über den Islam und den Koran arbeitete, herrschte Aufregung in den Niederlanden. In den vergangenen Wochen erhöhte der Geheimdienst präventiv die Terroralarmstufe, die niederländische Regierung erstellte bereits Evakuierungspläne für ihre Botschaften in den arabischen Ländern. Denn es hatte massive Drohungen gegeben, etwa durch Syriens Großmufti, der von einem »bevorstehenden Blutvergießen« sprach, und durch Malaysias Botschafterin in den Niederlanden, die »Dutzende Tote« prophezeite. Die iranische Regierung hatte den niederländischen Botschafter in Tehe­ran einbestellt.
Am Donnerstag vergangener Woche wurde der nur 16 Minuten kurze Film »Fitna« auf dem Video­portal Liveleak online gestellt, am folgenden Tag allerdings gleich wieder gesperrt. Zuvor hatte sogar der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende in einer Ansprache vor den Medien kritisiert, Wilders wolle mit dem Video allein »niedere Gefühle gegen Muslime« hervorrufen. Er forderte die Bevölkerung auf, »Brücken zu schlagen und die Vorurteile zu überwinden«. Den Film kannte bis dahin allerdings niemand.

Am Morgen nach dem Tag X stellten die Niederländer allerdings beruhigt fest, dass noch alles beim Alten war. Keine spontanen Demonstrationen, keine brennenden Autos, keine Neuauflage des Streits um die dänischen Karikaturen. Fundamentalisten wie Abdou Bouzerda von der Arabisch-Europäischen Liga hatten Entwarnung gegeben und verkündet: Der Film sei zwar gefährlich, aber nicht beleidigend, denn immerhin werde der Koran nicht wie befürchtet zerrissen oder verbrannt. Brahim Bourzik von der Nationalen Beratungsorganisation der Marokkaner zeigte sich »sehr erleichtert«.
Geert Wilders hat in den vergangenen Jahren die Zahl seiner provokativen Vorstöße gegen Muslime und den Islam stetig erhöht. So forderte er, Muslime, die in den Niederlanden bleiben wollten, sollten quasi als Gesinnungstest, die Seiten aus dem Koran zu reißen, die mit dem niederländischen Gesetz nicht vereinbar seien. Zudem verglich er das Buch mit Hitlers »Mein Kampf« und regte an, es deshalb zu verbieten. Mit seinem Film will er den Koran als »faschistisches Buch« entlarven, das zur Gewalt anrege.
Die islamistische Hizb ut-Tahir (Partei der Befreiung), die die Errichtung eines internationalen Kalifats anstrebt, reagierte als eine der ersten auf die Ankündigung Wilders, diesen Film zu drehen. Bereits im Dezember startete die Jugendabteilung ihrer niederländischen Organisation eine Plakatkampagne in den Großstädten und initiierte eine Online-Petition mit dem Titel »Stoppt die Islamlästerung«. Der Aufruf wurde auch von zahlreichen bekannten »Multikulturalisten« unterschrieben, die jahrelang den Integrationsdiskurs geprägt hatten und inzwischen von niemandem mehr ernst genommen werden.
Zwischen religiösem Extremismus, multikultureller Unbedarftheit und dem Rechtsruck einer Schar ehemals linksliberaler Publizisten erscheint der gesellschaftliche Diskurs als intellektuelle Wüste, in der kaum jemand »Islamkritik« sagt, ohne »Immigrationsstop« zu denken. Eine der wenigen Ausnahmen stellte Ayaan Hirsi Ali dar, die sich den gängigen Interpretationsmustern entzog und möglicherweise deshalb inzwischen nicht mehr im Lande weilt.
Wilders’ Ankündigung sorgte nicht nur bei den Islamisten für Betriebsamkeit. Auch der Vorsitzende des Hochschulrats, Doekle Terpstra, unterstützt von der christlichen Tageszeitung Trouw, startete eine Kampagne gegen die »Wilderisierung der Gesellschaft« und die »Spirale der Intoleranz«. Auf einer Demonstration in Amsterdam wurden Wilders-Gegner vorübergehend fest genommen, die diesen auf einem Plakat als »Extremist« bezeichnet hatten, der »Ihnen und der Gesellschaft erheblichen Schaden« zufüge. Zudem zogen verschiedene Akteure aus, Wilders mit einer inflationären Welle von »Gegenfilmen« den Wind aus den Segeln zu nehmen: der Multikulti-Fernsehsender MTNL und der marokkanischstämmige Abgeordneten der Partei Groen Links, Tofik Dibi, produzierten eigene Streifen.
Parallel dazu führte das Innenministerium präventive Krisengespräche mit sämtlichen Kommunen, und die Polizei bemühte sich verstärkt um Kontakte mit muslimischen Organisationen. Dazu rief die Regierung permanent zu Ruhe, Toleranz und Bedächtigkeit auf, und Arbeitgeberverbände appellierten an Wilders, den Film mit Rücksicht auf die Absatzmärkte nicht auszustrah­len.

Die Hysterie, die am Schnittpunkt zwischen Religions- und Meinungsfreiheit in den Niederlanden latent herrscht, ist bedingt durch erschreckende Vorgänge in der jüngsten Vergangenheit, in der zwei ikonisierte Vorreiter provokativer Islamkritik, Pim Fortuyn und Theo van Gogh, ermordet wurden. Auch das Phänomen Wilders erklärt sich vor diesem Hintergrund. Der Politiker argumentiert nicht mit intellektueller Schärfe wie Hirsi Ali, er hat punktuell jedoch ihre inhaltliche Kritik übernommen. Auch die Eloquenz Fortuyns geht Wilders ab, während er dessen tendenziell rassistische Agenda propagiert. Und die fehlende Kreativität eines Theo van Gogh kompensiert er mit reiner Lust an der Provokation. Auch die Wahl des Mediums Film schließt deutlich an den Regisseur an, dessen »Submission« betitelte Kooperation mit Hirsi Ali sein Todesurteil bedeutete.
Dass die Situation nicht eskalierte, bedeutet für den Augenblick Entwarnung. Der nächste Ärger steht allerdings bereits an. Ehsan Jami, der im vergangenen Jahr das »Komitee für Ex-Muslime« gründete und seitdem wie Wilders unter Polizeischutz steht, hat für April die Fertigstellung seines Animationsfilm »The Life of Mohammed« angekündigt. Unter anderem ist der Prophet darin mit seiner neunjährigen Frau zu sehen, die einen Teddybären trägt. Mohammed dagegen hat bereits auf dem Weg zur Moschee eine Erektion, schließlich wird er das Mädchen dort entjungfern – unter einem Turm, auf dem ein Hakenkreuz prangt.