Die Niederlage der Kommunisten in Italien

Italien wählt Linke in die Apo

Der Sieg von Silvio Berlusconi bei den Parla­mentswahlen in Italien war zu erwarten. Die eigentliche Sensation war das Debakel für die radikale Linke. Zum ersten Mal in der italienischen Geschichte schafften es die Kommunisten nicht ins Parlament.

»No Veltroni, no party!« George Clooney muss keine Getränkekisten anliefern, es gibt nichts zu feiern. Erst vergangene Woche hatte er zum Abschluss des italienischen Wahlkampfs den Spitzen­kandidaten der Demokratischen Partei (DP) Walter Veltroni in einer Mailänder Bar zum Cappuccino getroffen und ihm siegessicher auf die Schul­tern geklopft: »Yes, we can!« Doch der Werbespot floppte. Veltroni hat es nicht geschafft, den in allen Wahlumfragen prognostizierten Vorsprung seines Kontrahenten einzuholen.
Silvio Berlusconis neu zusammengefügte Partei Popolo della Libertà (PdL) gewann die italienischen Parlamentswahlen vom Sonntag und Mon­tag im Bündnis mit der separatistischen Lega Nord mit überwältigender Mehrheit.
Mit rund 46 Prozent der Stimmen errang das Bündnis die relative Stimmenmehrheit im Parlament und sicherte sich damit den im aktuellen Wahlgesetz festgelegten Mehrheitsbonus, das heißt 55 Prozent der Sitze der italienischen Abgeordnetenkammer.
Entscheidend für die erneute absolute Vorherr­schaft Berlusconis ist aber vor allem der klare Sieg im Senat. Da in der zweiten italienischen Kammer die Sitzverteilung entsprechend der in den einzelnen Regionen erzielten Stimmen erfolgt, fürchteten viele Beobachter im Vorfeld der Wahl, es könnte im Oberhaus, wie in der vergangenen Legislaturperiode, zu keinen klaren Mehrheitsverhältnissen kommen. Der PdL konnte jedoch die einwohnerstarken süditalienischen Regionen Latium und Kampanien, die bisher vom Mitte-Links-Bündnis regiert wurden, für sich gewinnen und profitiert deshalb gleichfalls vom regional verteilten Mehrheitsbonus. Berlusconi kann also auch im Senat auf eine satte Mehrheit zählen. Seinem Bündnis werden 167 Senatoren zugesprochen, während die Oppositionsparteien zusammen auf lediglich 142 Senatoren kommen.
Allerdings ist Silvio Berlusconis dritter Wahlsieg nicht mit seinen vorausgegangenen Wahlerfolgen 1994 und 2001 zu vergleichen. Dieser Triumph ist ungleich höher einzustufen.

Das italienische Parteiengefüge hat sich grundlegend verändert, das ganze politische System befindet sich im Umbruch. Die Zeit der fragmentierten, in sich heterogenen Parteikoalitionen, ist vorbei. Bereits im Wahlkampf zeichnete sich der Übergang zu einem Zweiparteiensystem ab. Anders als in den vergangenen Jahren verzichteten die beiden Hauptkontrahenten weitestgehend auf einen aggressiven Wahlkampf, stattdessen bezeugten sie sich gegenseitig Respekt und warben gemeinsam für die »nützliche Stimmab­gabe«, womit die Wahl einer der beiden großen Parteien gemeint war. Der Ausgang der Wahl zeigt, dass dieses gemeinsam angestrebte Ziel erreicht wurde. Fast alle kleineren Parteien, die der Vereinheitlichung des Parteiengefüges trotzten, schei­terten an den Sperrklauseln: vier Prozent im Parlament und acht Prozent im Senat.
Allein Pier Ferdinando Casinis christdemokratischer Union (UDC), die jahrelang zum Mitte-Rechts-Bündnis zählte, nun aber die katholische Wählerschaft gegen die Vereinheitlichung im PdL verteidigen zu müssen glaubte, erreichte 5,6 Prozent der Stimmen und damit den Einzug ins Parlament. Außerdem stellt die UDC dank einer star­ken regionalen Verankerung in Sizilien auch zwei Senatoren. Dieses knappe Resultat belegt, was sich in den sozialpolitischen Debatten der vergangenen Wochen abgezeichnet hat: Die strikte Gegenüberstellung von Laizisten und Katholiken entspricht nicht der politischen Kräfteverteilung. Zur Verteidigung der christlichen Werte, auf die sich Casini beruft, bedarf es keines katholi­schen Zentrums, PdL und PD haben sie sich längst einverleibt. Auch Giuliano Ferraras viel diskutierte Antiabtreibungsliste erhielt weniger als einProzent der Stimmen. Allerdings scheiterten die Sozialisten, die mit einem dezidiert laizistischen Programm angetreten waren, ebenso deutlich.

Besonders eklatant ist jedoch die Niederlage der radikalen Linken. Sie verfehlte nicht nur den Einzug in den Senat, sondern scheiterte überraschend auch an der Vier-Prozent-Hürde des Parlaments. Die beiden kommunistischen Parteien, Rifondazione und Comunisti Italiani, hatten sich erst wegen der anstehenden Neuwahlen gemeinsam mit den Grünen und einer sozialistischen Splitterpartei zu La Sinistra-l’Arcobaleno zusammengeschlossen. Dass es nach dem kläglichen Ende der Mitte-Links-Regierung für die Linke nicht einfach werden würde, die von der Regierungserfahrung enttäuschten Anhänger zu überzeugen, muss Fausto Bertinotti von Anfang an klar gewesen sein. Er hatte sich zum letzten Mal bereit erklärt, die Rolle des Spitzenkandidaten zu übernehmen. Im Wahlkampf wurde er nicht müde zu betonen, dass die neue Regenbogen-Linke nicht nur ein taktisches Wahlbündnis vorstellen, sondern ein strategisches »Zukunftsprojekt« zur Exis­tenzsicherung der italienischen Linken sein wolle. Das katastrophale Wahlergebnis von 3,1 Prozent im Parlament und 3,2 Prozent im Senat war jedoch auch für ihn eine Enttäuschung »ungeahn­ten Ausmaßes«. Für die Linken wog die Nieder­lage am Wahlabend schwerer als der Sieg Berlusconis. Ungläubigkeit und blankes Entsetzen stan­den Bertinotti und seinen Parteigenossen ins Gesicht geschrieben. Zum ersten Mal in der Geschichte der italienischen Republik stellt die radikale Linke keine Parlamentsabgeordneten.
In hilflos anmutenden Erklärungsversuchen wurde vor allem der von den beiden großen Parteien wiederholt vorgetragene Appell an die »nütz­liche Stimmabgabe« und eine allseits beklagte »Amerikanisierung« der italienischen Politik für das Debakel verantwortlich gemacht.
Tatsächlich aber deuten erste Analysen der Stim­menwanderung an, dass die Regenbogen-Linke nicht nur Wählerinnen und Wähler an den DP ver­loren hat, sondern weite Teile ihrer Stammwählerschaft einfach nicht zur Abstimmung mobilisieren konnte. Vor kaum zwei Jahren hatten die verschiedenen Parteien der radikalen Linken zusammen noch über zehn Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen können. Franco Gior­dano, Vorsitzender der Rifondazione, räumte denn auch selbstkritisch ein, dass der Prozess zur Konstitution einer einheitlichen und pluralen Linken zu spät eingesetzt habe, während Mar­co Rizzo von den Comunisti Italiani vor allem den voreiligen Verzicht auf Hammer und Sichel im Parteiemblem kritisierte. Angesichts der deut­lichen Niederlage bleibt abzuwarten – trotz gegen­teiliger Beteuerungen am Wahl­abend –, ob die vier Parteien den Einigungsprozess tatsächlich geschlossen fortsetzen werden. Es könnte auch sein, dass Teile der Grünen zusammen mit den sozialistischen Kräften versuchen werden, der Demokratischen Partei beizutreten, um in ihr eine starke linke Minderheit zu formieren.
Vorerst aber scheint Veltronis Strategie, mit den sozialistischen Traditionen zu brechen und das Erbe der ehemals größten Kommunistischen Partei Westeuropas abzulehnen, um die radikale Linke politisch zu isolieren und in die Bedeutungs­losigkeit zu verbannen, aufgegangen zu sein. Der PD erhielt im Bündnis mit der kleinen Partei Italia dei Valori (IdV), die vom ehemaligen Chefstaatsanwalt der Mailänder Antikorruptionsprozesse, Antonio Di Pietro, angeführt wird, in beiden Kammern rund 38 Prozent der Stimmen. Zu wenig, um gegen Gesetzesvorhaben der neuen Regierung effektiv opponieren zu können, genug, um das angestrebte Zweiparteiensystem zu konsolidieren.

Anders als in seiner zurückliegenden Amtszeit muss sich der alte und neue Regierungschef Berlusconi nicht mehr um die Einführung von Gesetzen kümmern, die allein auf die Belange seiner Person abgestimmt sind. In der kaum zwei­jährigen Regierungsphase der Mitte-Links-Koa­lition blieben alle von ihm in dieser Hinsicht verabschiedeten Gesetze in Kraft. Er kann sich stattdessen staatstragend geben und eine »verfassung­gebende« Legislaturperiode mit umfassenden »institutionellen Reformen« ankündigen.
In seinem Vorhaben, zur »Vereinfachung« des politischen Tagesgeschäfts das Zweikammersystem abzuschaffen und den Ministerpräsidenten mit den Machtbefugnissen eines »starken Premiers« auszustatten, kann er sich zudem der Unterstützung Veltronis sicher sein. Auch die Demokratische Partei spürt die »Berufung zur Mehr­heitspartei« und ist, in der Hoffnung, nicht auf ewig in die Opposition verbannt zu sein, für die Einführung eines klaren Mehrheitswahlrechts und die Transformation der parlamentari­schen Demokratie zu einem semipräsidentiellen Regierungssystem nach französischem Vorbild.
Diese »Reformen« verlangen freilich eine weitreichende Revidierung der italienischen Verfassung. Doch nachdem die Linke den Einzug in die Kammern verpasst hat, gibt es keine institutionelle Kraft, die sich der »Aktualisierung« der aus der Erfahrung des Widerstands gegen den Nazifaschismus hervorgegangenen Verfassung widersetzen könnte. Im Gegenteil.
Die Lega Nord hat im Norden Italiens weiter an Stimmen und damit auch an Einfluss innerhalb der neuen Rechtsregierung gewonnen. Sie wird mit ihrem populistischen Regionalchauvinismus die italienische Politik auch jenseits ihres selbsterfundenen Stammlandes »Padanien« konditionie­ren und im Verein mit den Postfaschisten um Gian­franco Fini versuchen, die antifaschistischen Grund­mauern der Republik endgültig zu schleifen.