Rechtsextreme Attacken in Ungarn

Unter Ungarn geht nichts

Unbehelligt von der Polizei agitieren und demonstrieren Rechtsextremisten. In Budapest zündeten sie einen Laden an und bedrohten Angestellte.

Freie Meinungsäußerung gilt in Ungarn als ein hohes Gut, als eine Konsequenz aus der in der Vergangenheit erlebten Unterdrückung. Rechtsextreme können damit gut leben: Kaum eine Woche vergeht, in der nicht rechte Schläger aufmarschieren. Sie terrorisieren Orte, in denen Roma oder Juden leben, unbehelligt von Verboten oder der Polizei. Widerstand gegen die rechten Horden zeigt sich so gut wie nie.
Am Freitag zogen etwa 1 000 Rechtsextreme durch das ehemalige jüdische Viertel von Budapest. Ihr Ziel war eine Verkaufsstelle von Konzerttickets. Ein Angestellter soll eine Kundin »in ihrem Ungarntum erniedrigt« haben. Eine Frau wollte am 20. März in dem Geschäft ein Ticket für das Konzert einer rechtsextremen Band kaufen. Der Verkäufer konnte damit aber nicht dienen, woraufhin die Kundin den Laden verließ und sich bei den Rechten beklagte.
Die rechtsextreme Szene nutzte den Vorfall zur Hetze gegen alles »Anti-Ungarische«, gegen Roma und Juden. Der Verkäufer wurde im Internet als »Zigeuner« und »Ratte« beschimpft, sein Bild mit Adresse ins Netz gestellt. Zudem wurde die gesamte Stadt als »Judapest« verunglimpft. Am 1. April ging die Ticketverkaufsstelle in Flammen auf. Eine Gruppe namens »Ungarische Befreiungsarmee« bekannte sich zu dem Anschlag. Sie hat bereits für mehrere Angriffe auf Journalisten und Abgeordnete der sozialdemokratischen Regierungspartei verantwortlich gezeichnet.

Die ungarischen Internet-Seiten, die in bekannter Nazi-Manier hetzen, laufen ohne Einschränkungen. Der bekannte Rechtsextremist Polgar Tamas betreibt etwa unter dem Namen Tomcat eine solche Internet-Seite. Er ist auch Besitzer eines Ladens in der Budapester Innenstadt. Dort verkauft er – ebenfalls unbehelligt von Polizei und Justiz – selbst hergestellte T-Shirts. Etwa mit Motiven wie einem Smiley mit Hitler-Oberlippenbart und darunter dem Satz: »Ein großartiger Tag für einen Holocaust«.
Gegen die Rechtsextremisten demonstrierten am Freitag etwa 3 000 Menschen. Ein Novum, wie in den Medien betont wurde. Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Antifaschisten konnten die Rechtsextremen ihre Demonstration verwalteten. Auch Staatspräsident László Solyom hatte zu der Gegendemonstration aufgerufen, unter den Demonstranten befand sich Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany.
Insbesondere der Sozialdemokrat Gyurcsany gilt den Rechten als Feind. Im Oktober 2006 randalierten Rechtsextreme unter dem Beifall der rechtskonservativen Oppositionpartei Fidesz tagelang gegen die Regierung und vor allem den Ministerpräsidenten. Immer wieder kommt es auch zu antisemitischen Ausfällen u.a. gegen ­Gyurcsanys Ehefrau. Bereits vor einem Jahr hatte der Regierungschef gewarnt, in Ungarn gehe »etwas Schreckliches« vor. (Jungle World 11/07)
Viele Freunde macht er sich mit seiner Haltung offensichtlich nicht. Die Fidesz hatte, mit Unterstützung durch die Rechtsextremen massiv Front gegen die geplante Gesundheitsreform der Regierung gemacht. Bei der Volksabstimmung am 9. März konnte sie einen überwältigenden Sieg einfahren.