»Liberal Fascism« von Jonah Goldberg

Gibt es eine Linie von Hitler zu Hillary?

In dem in den USA viel diskutierten Buch »Liberal Fascism« untersucht der konservative Publizist Jonah Goldberg die Gemeinsamkeiten zwischen der Linken und den Faschisten.

Im Science-Fiction-Genre gibt es bekannt­lich die Bizarro-Welt, in der man die eigentliche Welt zwar wiederfindet, jedoch in verzerrter Form. Schon das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Buches von Jonah Goldberg – mit Kapitel­über­schriften wie »Hitler: Ein Mann der Linken«, »Roosevelts faschistischer New Deal«, »Die 1960er Jahre: Der Faschismus geht auf die Straßen« oder »Hillary Clinton und die Bedeutung des liberalen Faschismus« – erinnert stark an eine Bizarro-Geschichte der amerikanischen Linken, die höchstens Stoff für einen Mel-Brooks-Film hergeben würde, wenn sie nicht so bitter ernst gemeint wäre.
In seinem Buch will Jonah Goldberg aufzeigen, dass der Faschismus in den zwanziger Jahren in die US-Linke Einzug gehalten habe und bis heute Teil ihrer Weltanschauung sei. Zu Beginn seines Buches behauptet er, dass die Mussolini-Begeisterung in den damaligen progressi­ven Zirkeln nicht eine Randerscheinung, sondern ein zentrales Moment der Entwicklung der US-Linken darstelle. Als nächstes gibt er auf hanebüchene Weise das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 als Schlüsseldokument für Präsident Franklin Roosevelts sozialdemokratischen New Deal während der Depression der dreißiger Jahre aus. Um den Leser zu überzeugen, dass man das NSDAP-Programm unbedingt kennen müsse, um die Geschichte der amerikanischen Linken richtig verstehen zu können, greift Goldberg wiederholt auf das Programm zurück. Eine Übersetzung davon ist als Dokument im Anhang abgedruckt. Dass Goldberg dabei den Massenmörder Hitler zu einem Roose­velt mit Schnauzbart herabstuft, ist ihm offenbar gleich. Nach der Gegenüberstellung Roosevelt–Hitler findet der Verfasser seinen nächsten Nazi-Vergleich in der während der sechziger Jahre entstandenen New-Left-Bewegung. Wie die »Bewegung« der Braunhemden 1933 habe das aus Berkeley stammende und von einer rebellischen Jugendkultur begleitete »movement« die Universitäten für die Neue Linke erobert. Mit sich brachten sie ihre an die Nazi-Mitläufer Martin Heidegger und Carl Schmitt angelehnten Ideen, so die Analyse Goldbergs. Wie in einem Enthüllungsbuch stellt der Autor die bekannten und mitunter auch kritikwürdigen Bezüge zwischen den Weltanschauungen Heideggers und Schmitts und denen der US-Anhänger des Existenzialismus oder des Vordenkers der New Left, Herbert Marcuse, her. In Marcuses Schüler, dem Autor des rebellischen Ratgebers »Steal this Book«, Abbie Hoffman, sieht Goldberg den »wit­zi­gen Faschismus« und vergleicht ihn mit den ita­lienischen Futuristen. Sogar den von den 68ern gänzlich unbeeindruckten Theodor W. Ador­no unterzieht Goldberg nebenbei einer derben Kritik. Offenbar schmerzen Adornos Studien zur autoritären Persönlichkeit immer noch in konservativen Kreisen.
Doch Goldberg bleibt nicht bei einer Revision der Vergangenheit stehen. Er sieht eine faschis­tische Tradition unter den »Liberals« in den USA bis auf den heutigen Tag. Er findet nicht nur faschistische Elemente in der Politik der prominentesten Vertreter der Demokraten, etwa bei Nobelpreisträger Al Gore und den Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Barack Obama. Auch hinter Themen wie Umweltschutz, Community Organizing, Abtreibung, ja sogar hinter dem Fitness- und Bio-Trend sieht er den Faschismus herausragen. Genauso hält er es mit den Themen Multikulturalismus und Feminismus, Postmoderne, Queer-Theorie und Identitätspolitik. Besonders töricht sind seine Ausführungen zur Homosexualität: »Die Einstellung der Nazis zur Homosexualität ist eine Quelle der Verwirrung. Obzwar es wahr ist, dass einige Homosexuelle in Konzentrationslager ge­schickt wurden, steht auch fest, dass die Nazi-Partei und die Konstellation der pangermanischen Organisationen um die Partei herum von Homosexuellen wimmelten. Es ist vielfach bekannt, dass Ernst Röhm und sein Klüngel offene Homosexuelle waren.« Von Röhm und Nazikörperkultur zum »Brokeback Mountain« in zwei Absätzen. Zum Glück ist das Buch fast zu Ende, wenn der Autor damit anfängt, auch etwas Faschistoides an Wicca-Anhängern, New-Age-Druiden und sogar an »Paaren, die sich nach klingonischem Brauch ehelichen«, zu entdecken.
Es drängt sich bei der Lektüre des Buches die Frage auf, ob in manchen Kreisen die reductio ad absurdum nicht mehr als solche erkannt wird. Egal was man von den Achtundsechszigern dies­seits oder jenseits des Atlantik hält, zeugt der Vorwurf des linken Faschismus heute wie damals bloß von intellektueller Armseligkeit, von einem Mangel an Differenzierungsfähigkeit. Zu einer richtigen vergleichenden Politik­analyse gehört schließlich weit mehr als ein Rückgriff auf die nach dem Ende des Kalten Krieges populär gewordene Totalitarismustheorie. Auch reicht es nicht, wie im Fall Goldberg, ein Sammelsurium längst bekannter Ähnlichkeiten, Koinzidenzen, Querbezüge und Exzesse zusammenzufassen und das Ergebnis als Neuware zu verkaufen. Seit 2006 erscheinen Goldbergs Kommentare regelmäßig in der Los Angeles Times. Zwar gelten seine Kolumnen als rhetorisch pointiert und bisweilen humorvoll. Dennoch steht er im Schatten des konservativen ­Intellektuellen und Gründers der National Review, William F. Buckley, und erscheint im Vergleich mit ihm letztlich als ziemlich leichtgewichtig. Das vorliegende Buch ändert nichts an diesem Eindruck. Der Rezensent vom konservativen Kon­kurrenzblatt American Conservative fasst sein Urteil treffend zusammen: »Trotz seiner Bemühungen um theoretische Raffinesse schafft Goldberg es, wie ein Banause zu wirken. (…) Das Buch ›Liberal Fascism‹ vollendet Goldbergs Transformation vom munteren Humoristen zum humorlosen Ideologen.«
Dass das Buch sofort nach seinem Erscheinen auf den Bestsellerlisten landete, darf niemanden verwundern, denn im Wahlkampfjahr will man schließlich so viel Munition wie möglich ansammeln. Das Buch war noch druckfrisch, als der konservative CNN-Kommentator Glenn Beck in seiner Sendung genüsslich von den neuesten Machenschaften der »liberalen Faschistin« Hillary Clinton sprach.

Jonah Goldberg: Liberal Fascism: The Secret History of the American Left, from Mussolini to the Politics of Meaning. Doubleday, New York 2007, 496 Seiten, 27,95 US-Dollar.