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Alle wollen die Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag in Serbien gewonnen haben. Die Europa-Liste von Präsident Boris Tadic erzielte ein überraschend gutes Ergebnis und wird in Zukunft die stärkste Fraktion sein. Sie will daher auch die Regierung stellen. Aber auch die Nationalisten der Serbischen Radikalen Partei melden Ansprüche an. Zwar landeten sie auf dem zweiten Platz, haben mit der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) und der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) allerdings zwei potenzielle Koalitionspartner, mit denen sie die Mehrheit der Mandate stellen könnten.
Ganz sicher haben die ehemaligen Milosevic-Sozialisten die Wahlen gewonnen. Sie erreichten zwar nur 7,6 Prozent. Aber mit ihnen müssten nicht nur die Radikalen koalieren, sondern aus Mangel an Alternativen auch die Pro-Europäer von Boris Tadic. Eine solche Kombination erscheint auf den ersten Blick absurd. Führte die Europa-Liste nicht eine Kampagne gegen die Kräfte der Vergangenheit, zu der die SPS zweifellos gehört? Aber in der Realität sind in Serbien viele politische Wunder möglich. Tatsäch­lich könnte eine Koalition beiden Seiten Vorteile bringen. Tadic und seine Gefolgschaft könnten mit der SPS ihren Patriotismus in der Kosovo-Frage unter Beweis stellen. Die SPS-Kader könnten sich dagegen mit der Europa-Liste als eine moderne sozialdemokratische Kraft verkaufen und sich so ein neues Image erarbeiten. Wie erste Stellungnahmen zeigen, haben beide Seiten keine Berührungsängste.
Näher läge der SPS aber wohl eine Koalition mit Radikalen und DSS. Falls es zu dieser Konstellation käme, würde sich Serbien in Zukunft außenpolitisch eher an Russland als an der EU orientieren. In der Kosovo-Frage würde sie den serbischen Anspruch energischer anmelden. Für die EU-Außenpolitik auf dem Balkan wäre dies ein herber Schlag. Eine Koalition der serbischen »Patrioten« müsste mit scharfem Gegenwind aus dem Westen rechnen. Aber auch innenpolitisch wären weitere Konflikte programmiert. Denn Tadic wird sich nach seinem Wahlerfolg nicht so leicht geschlagen geben. BK