Die NPD nach dem 1. Mai in Hamburg

Schwarz-braun ist der Block

So ein Ärger für die NPD! Das Bild »friedlicher« Aufmärsche von Neonazis hat am 1. Mai in Hamburg gelitten.

Die Clips finden sich noch im Internet. Schwarz gekleidete Personen schieben Polizisten beiseite, stürzen einen Bauzaun um. Unter Gebrüll stürmt eine vermummte Gruppe aus dem Neonaziaufmarsch heraus. Begleitet von Rechtsrock greift sie Gegendemonstranten und Journalisten an. Das war in Hamburg am 1. Mai.
Nach dem Aufmarsch von etwa 1 200 Kameraden unter dem Motto »Arbeit & soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen!« stritten die »Nationaldemokratische Partei Deutschlands« (NPD) und die »Freien Kameradschaften« (FK) nicht bloß über die Bewertung der Veranstaltung. Die Szene sorgte sich auch zum wiederholten Mal wegen der »Autonomen Nationalisten«. Denn vor allem jener schwarz-braune Block skandierte auf dem Weg zum Auftaktplatz Alte Wöhr »No justice, no peace, fight the police!« und griff alles an, was sich ihm in den Weg stellte.
Am 2. Mai titelte das »Aktionsbüro Norddeutschland« um Tobias Thiessen und Inge Nottelmann noch: »Der nationale Widerstand kämpfte sich erfolgreich durch Barmbek.« Die Autoren schwärmten: »Die Kameraden stürmten entschlossen auf die Linksautonomen zu.« Bereits einen Tag später war aus den Angriffen eine Verteidigung geworden. »Die Gewalt kam von links«, schrieb das »Büro« und erklärte: »Wir haben uns lediglich gegen die linken Angriffsversuche erfolgreich zur Wehr gesetzt.«
Die Kehrtwende erfolgte nicht ohne Grund: Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch hatte nach dem 1. Mai vor allem vor dem »rechtsex­tremen Gewaltpotenzial« gewarnt. Anders als sonst, betonte Jantosch, hätten sich die Neonazis nicht den Anweisungen der Polizei gefügt. Offensichtlich war die Einsatzleitung angesichts der rund 400 »Autonomen Nationalisten« überrascht. »Der Verfassungsschutz hatte diese Gruppe auf 200 Personen geschätzt«, beklagte Jantosch. Der Polizeieinsatzleiter Peter Born sagte: »In diesen Reihen herrschte ein enorm hohes Gewaltpotenzial.« Bereits vor dem Marsch waren »Autonome Nationalisten« auf Linke losgegangen. »Auf Stichwort schlugen diese auf Linksautonome ein«, berichtete Born. »Die Polizei musste sich dazwischen schmeißen, sonst hätte es sicher Tote gegeben.«
Solche Aussagen dürften dem Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt, nicht gefallen haben. Seit Jahren bemüht er sich darum, der Partei ein bürgerliches Image zu verpassen. Die »Verbürgerlichungsstrategie« machte es möglich, dass die Partei in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern einzog. Zwar propagiert die NPD auch den »Kampf um die Straße«, doch prügelnde Anhänger bei ihren Aufmärschen passen nicht gerade ins Konzept. Einen offenen Streit mit den »Kameraden« scheut die Parteiführung aber. Sie weiß, ohne jene Kader hätte sie es schwer, an die Rechtsex­tremis­ten ohne Parteibuch heranzukommen, und ohne sie würden die Kapazitäten für Wahlkämpfe fehlen.
Im August vorigen Jahres hatte eine Mitteilung aus dem NPD-Bundesvorstand noch für Ärger gesorgt. »In zunehmendem Maß ist bei Aktionen des nationalen Widerstands das bisher nur von linksradikalen/antifaschistischen Demonstrationen bekannte Phänomen des ›Schwarzen Blocks‹ zu beobachten. Als Unterzeichner (…) sprechen wir uns (…) gegen derartige Erscheinungsformen aus«, hieß es darin. Denn: »Öffentliche Demonstrationen sollen unseren Landsleuten ein Bild von dem vermitteln, wie wir uns als Nationalisten das kommende Deutschland vorstellen.« Das sei mit dieser kopierten Erscheinungsform nicht möglich. Vor allem jedoch würde so »kein positives einheitliches Erscheinungsbild« geschaffen.
Reaktionen der »Autonomen Nationalisten« blieben nicht aus. Sven Skoda aus dem Umfeld der Düsseldorfer Kameradschaft ließ mitteilen, die Partei sei eben auf einem »auf das bürgerliche Lager ausgerichteten Kurs«. Schnell sahen Partei- und Kameradschaftskader ihre weitere Zusammenarbeit gefährdet. Das Parteipräsidium verfasste im September eine neue Erklärung: »Die NPD steht weiterhin zum Schulterschluss mit allen parteiunabhängigen Nationalisten.«
Zu den aktuellen Vorfällen schweigt die NPD-Führung bislang. Ein Schweigen, das offenbart, wie es um das Kräfteverhältnis zwischen der Partei und den »Kameradschaften« steht. Auf der Website des Bundesvorstands finden sich zwar Mitteilungen zum Marsch am 1. Mai in Nürnberg, aber kein Satz zu dem in Hamburg. Die taktische Zurückhaltung hat in der Szene starkes Missfallen erregt. »Noch immer hält es die NPD-Bundesführung nicht für notwendig, ein Wort (…) zu verlieren«, wird auf »Altermedia« gewettert. »Dabei handelte es sich mitnichten um eine rein parteifreie Veranstaltung. Die Hamburger NPD hat diese Demonstration unterstützt.« Schließlich sei ja auch der Hamburger Parteivorsitzende Jürgen Rieger da gewesen.
Der wiederum war nicht das einzige Mitglied des Bundesvorstands der NPD beim Aufmarsch am 1. Mai. Über den Lautsprecherwagen meldete sich Thomas Wulff zu Wort und machte namentlich auf einen Journalisten aufmerksam, der prompt von Neonazis angegriffen wurde.
»Altermedia« verstimmt das »große Schweigen« besonders, da »keinesfalls die Gewalt von nationaler Seite« ausgegangen sei. »Wenn man es lieber gesehen hätte, dass die nationalen Demonstranten (…) als Verlierer und Gepeinigte vom Platz gehen«, schimpfen die Verstimmten, »dann ist die Haltung der Parteiführung natürlich verständlich.« Zu NPD-Veranstaltungen würden dann »künftig« weniger Teilnehmer erscheinen, drohen sie.
Allein die Hamburger NPD teilte am 2. Mai mit: »Trotz der widrigen Umstände ist es aber gelungen, die Demonstration (…) erfolgreich und entschlossen durchzuführen.« Eine gute Woche später rechtfertigte Wulff die Angriffe: »Die freien Kameraden (…), ob nun autonom genannt oder irgendwie anders, haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass jeder Angriff auf Leib, Leben oder unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht zwangsläufig mit Erleiden und Jammern beantwortet werden muss.« Er greift auch gleich die Kritiker an: »Wenn nun noch jemand aus bekannter Ecke in Partei und Bewegung auf die Idee kommen sollte, mit jämmerlichem und vorwurfsvollem Unterton zu behaupten (…), bei dieser ›Krawalldemo‹« seien ihre Inhalte verloren gegangen, irre er.
Verloren gehen könnte das Bild von reibungslos ablaufenden Aufmärschen von Neonazis, die wunderbar mit der Polizei kooperieren. Die Behörden könnten auf die Idee kommen, Aufmärsche häufiger mal zu verbieten. Das dürfte weder der NPD noch den »Freien Kameraden« gefallen.