Gespräch mit Thomas Buscaglia über die Arbeitsbedingungen von Spiele-Entwicklern

»Spiele-Entwickler begreifen sich als höhere Angestellte«

Thomas Buscaglia, Anwalt für Arbeitsrecht aus Seattle, vertritt seit 1991 unabhängige Spiele-Entwickler und ist Mitgründer der International Game Developers Association. Er nennt sich selbst »The Game Attorney«.

Was sind die größten arbeitsrechtlichen Probleme, mit denen Entwickler in der Spiele-Industrie konfrontiert sind?

Der größte Konflikt besteht zwischen dem kreativen Prozess und der Realität des Business. Auch wenn die Arbeiter selbst großen Spaß daran haben, ihre Spiele zu entwickeln, geschieht das innerhalb des Systems des freien Marktes, und das versucht immer, die Arbeiter reinzulegen. Deshalb vertrete ich die Interessen der Arbeiter in der Spiele-Industrie und ihre Rechte an ihrem geis­tigen Eigentum. Denn das hintergehen die Unternehmen, ob große oder kleine, oft und sehr gerne. Viele Spiele-Entwickler wissen oft selbst nicht, was eigentlich zu ihrem Besitz gehört und was sie dafür verlangen sollten, wenn sie es verkaufen. Ich trete dafür ein, dass die Leute, die die Arbeit machen, auch davon profitieren. Das sehen die Unternehmen, die die Arbeit verkaufen, selbstverständlich anders.

Welche Chancen hat ein Spiele-Entwickler, seine Arbeit unabhängig von den großen Konzernen zu verkaufen?

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, denn der Bereich der Computerspiele ist eine sich ständig verändernde Landschaft. Der eigentliche Marktplatz für die unabhängigen Entwickler ist das Internet. Hier werden zwar vielleicht nicht so gut aussehende, dafür aber intelligente, anspruchsvol­lere Spiele an die Casual Core Gamers verkauft. Das sind Leute, die früher mal Hardcore Gamers waren, also nichts anderes getan haben als zu spielen, heute aber Familie haben und nicht mehr so viel Zeit, um neue Charaktere in einem Spiel zu entwickeln. Um diesen immer größer werdenden Markt zu bedienen, greifen die Unternehmen auf unabhängige Spiele-Entwickler zu, weil die kreativer sind als ein Angestellter, der bestehende Spiele einfach immer nur weiter bearbeitet. Für einen unabhängigen Spiele-Entwickler ist aber auch der Verkauf über das Internet wesentlich lukrativer, schließlich kann er hier bis zu 70 Prozent des Bruttogewinns für sich behalten, während ein Angestellter, wenn er Glück hat, höchsten 25 Prozent des Nettogewinns von dem Unternehmen erhält.

Aber der unabhängige Spiele-Entwickler genießt nicht die Vorteile, die ein Angestellter mit einem geregelten Arbeitsvertrag hat. Deswegen gab es doch auch eine Debatte unter US-amerikanischen Spiele-Entwicklern, ob sie sich gewerkschaftlich organisieren sollten.

Das ist richtig. Aber die Debatte darüber ist aus zwei Gründen stecken geblieben. Zum einen herrscht eine große Nachfrage an intelligenten, kreativen Entwicklern, weswegen es sich immer weniger große Unternehmen leisten können, ihre Leute schlecht zu bezahlen oder schlecht zu behandeln. Und zum anderen begreifen sich viele Spiele-Entwickler als höhere Angestellte und wol­len nicht mit den traditionellen Gewerkschaften in Verbindung gebracht werden. Trotz vieler Fälle, in denen Leute vertraglich nicht vereinbarte Leistungen erbringen müssen, obwohl sie schon völlig überarbeitet sind, und jeder Menge anderer rechtswidriger Arbeitsbedingungen ist die Idee der Organisierung weniger attraktiv als noch vor ein paar Jahren, als die Möglichkeiten, mit der Entwicklung von Spielen Geld zu verdienen, noch nicht so vielfältig waren.
Es gibt aber schon Gewerkschaften wie die WashTech, die Mitarbeiter von Microsoft gegründet haben und die alle möglichen Arbeiter aus dem High-Tech-Bereich vertritt. WashTech kümmert sich um Gesundheitsfürsorge, Renten­ab­sicherung, Arbeitsplatzsicherheit etc. Außerdem gibt es die International Game Developers Association, die die Spiele-Industrie sehr genau be­obachtet und die Arbeiter dort unterstützt.

Wird dort auch das Phänomen asiatischer Spieler-Sweatshops problematisiert?

Vor ein paar Jahren hätte ich nie geglaubt, dass es möglich sein würde, virtuelles Eigentum zu verkaufen. Aber es ist eingetreten. Es gibt in Südostasien tatsächlich so etwas wie Farms oder Sweatshops, in denen Programme entwickelt wer­den, die im Wesentlichen nichts anderes tun, als Fischen zu gehen, wie man das in der Spielersprache sagt, also beispielsweise hochwertige Waffen oder Charaktereigenschaften in den jewei­ligen Spie­len zu erobern, die dann auf Ebay oder direkt an die Spieler verkauft werden, die keine Zeit haben, um die harte Arbeit des Spiels zu machen. Das Phänomen ist bekannt und nicht unproblema­tisch. Es ist sicherlich eine Form von Ausbeutung. Aber ich würde nicht so weit gehen, wie es einige tun, und von Sklaverei reden.