Mexikanische Opfer in Kolumbiens Kampf gegen die Farc

Auf dem Weg Uribes

Beim Angriff auf ein Camp der kolumbianischen Guerillagruppe Farc wurden auch mexikanische Studierende getötet. Die mexikanische Rechte bezeichnet sie als Angehörige eines Terrornetzwerks.

Für Álvaro Uribe besteht kein Zweifel. Als »Guerilleros, Terroristen, Drogenhändler und Entführer« bezeichnete er die mexikanischen Studierenden, die beim Angriff der kolumbianischen Luftwaffe auf ein Camp der Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens), das auf ecuadorianischem Gebiet lag, am 1. März getötet oder verwundet worden waren. Den Vorwurf äußerte der kolumbianische Präsident Mitte April während eines Besuchs in Mexiko, und sein Amtskollege Felipe Calderón reagierte nicht etwa mit einer Zurechtweisung, sondern mit der Bitte, die polizeilichen Ermittlungen abzuwarten. Die rechte Presse Mexikos pflichtete Uribe bei.
Dass Kolumbiens autoritäre Regierung sich nicht zu einer Entschuldigung hinreißen lassen würde, war abzusehen. Schließlich hatte der Kommandant der kolumbianischen Streitkräfte, Fredy Padilla de León, schon zuvor erklärt, wer sich mit den Farc treffe, werde »automatisch zum militärischen Angriffsziel«. Dass jedoch weder die mexikanische Regierung noch die meisten Medien den Angriff als einen Affront gegen die ansonsten stolz verteidigte nationale Souveränität sehen wollen, zeigt, dass die Diffamierung linker Gruppen derzeit Priorität für die Rechte hat.

Die kolumbianische Luftwaffe tötete über 20 Menschen, Guerilleros, unter ihnen Raúl Reyes, den Verhandlungsführer der Farc, und mindestens vier Zivilisten, mexikanische Studierende, die erst wenige Stunden zuvor in dem von Journalisten und Vertretern von Solidaritätskomitees frequentierten Camp angekommen waren. Eine weitere Studentin der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (Unam), Lucía Morett, zählt zu den drei Überlebenden. Mexikos rechten Medien dient die Anwesenheit der Mexikaner in dem Guerillacamp als Beweis für die Existenz eines internationalen Terrornetzwerks, dem die radikale Linke angehöre.
So publizierte die große mexikanische Zeitung El Universal zwei Tage, nachdem die Öffentlichkeit vom Tod der jungen Mexikaner erfahren hatte, einen Artikel, in dem Lucía Morett als »die zentrale Verbindungsperson zwischen den Farc und ihren mexikanischen Unterstützergruppen« gebrandmarkt wurde. Unter Berufung auf »anonyme Quellen des kolumbianischen Geheimdienstes« wird die 26jährige als Kopf einer knapp 40 Personen umfassenden Zelle der Farc beschrieben, die von der Philosophischen Fakultät der Unam aus tätig sei.
In den folgenden Wochen erschienen in den verschiedenen rechten Medien Mexikos diverse Varianten der Behauptung, es gebe Querverbindungen zwischen linken Kollektiven, bewaffneten Gruppen und Drogenhändlern. Unter Berufung auf zumeist nicht überprüfbare Quellen wurden studentische Aktivisten in Verbindung mit der Farc gebracht, ihre Namen, Fotos und Adressen in überregionalen Zeitungen veröffentlicht, und die Unam, mit knapp 300 000 Studierenden Lateinamerikas größte Universität, wurde als »Nest von Guerilleros« bezeichnet. Studentische Kollektive wurden zu »Farc-Unterstützerkreisen« erhoben, und aus »subversiven« Studienplänen und Abschlussarbeiten wurde zitiert.
Unter Berufung auf die US-amerikanische Antidrogenbehörde DEA behauptet beispielsweise der Milenio Mitte März, die Farc hätten in Mexiko »Kontakte mit den Universitäten, mit Foren zur Verteidigung der Menschenrechte, Studenten, Professoren und Anführern subversiver Gruppen« und könnten »auf deren Hilfe zählen«. Insbesondere die Philosophische Fakultät der Unam tue sich mit Kontakten zu Guerillagruppen hervor, und die Farc seien »seit etwa vier Jahren die zentrale Verbindung zwischen den kolumbianischen und den mexikanischen Drogenkartellen«.

Mitglieder des ultrarechten Flügels der Regierungspartei Pan formulierten auf der Grundlage dieser Behauptungen gegen Lucía Morett und 14 weitere Mexikaner eine 70 Seiten umfassende Anklageschrift wegen Terrorismus, Billigung von Straftaten und Mitgliedschaft in den Farc. Sie stützt sich ausschließlich auf Zeitungsartikel aus ganz Lateinamerika, und diese wiederum beziehen ihre Informationen entweder von anderen Zeitungen oder anonymen »Geheimdienstquellen«. Doch die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der US-Kongress wird in den nächsten Wochen über die »Mérida-Initiative« abstimmen, und mehr als die Hälfte der für eine »regionale Sicherheitskooperation« vorgesehenen 1,5 Milliarden Dollar soll in den Aufbau von Mexikos Polizei- und Militärapparat investiert werden, zur Bekämpfung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität. Das Programm ähnelt dem »Plan Colombia« (Jungle World, 7/07).
Die Annäherung Mexikos an die kolumbianische Politik wird ergänzt durch eine inoffizielle geheimdienstliche und politische Zusammenarbeit beider Länder. Der kolumbianische Botschafter in Mexiko, Luis Camilo Osorio, gab bereits im vergangenen Jahr bekannt, dass der Geheimdienst seines Landes verdeckt gegen in Mexiko aktive »Unterstützerkreise der Farc« vorgehe. Anfang Mai erklärte er, kolumbianische und mexikanische Behörden sammelten gemeinsam Beweise gegen Lucía Morett, die derzeit in Nicaragua auf eine Klärung ihrer rechtlichen Situation wartet. Derweil traf Álvaro Uribe sich während seines Mexiko-Besuchs zwecks »Informationsaustausch« mit den Verfassern der Klage gegen sie.

Gegen Osorio wird in Kolumbien wegen enger Kontakte zu rechtsextremen Paramilitärs ermittelt. Die linke mexikanische Senatorin Rosario Ibarra versuchte deshalb, seine Akkreditierung als Botschafter zu verhindern. Sie sei »prinzipieller Kontakt der Farc in Mexiko«, meint nun die Zeitung Excelsior. »Das einzig Wahre in diesem Artikel ist, dass es hier viele Menschen und Organisationen gibt, die wie wir solidarisch mit den Kämpfen der Völker Lateinamerikas sind«, beantwortete Ibarra in einem offenen Brief die Anschuldigungen.
Für Francisco vom Comité Cerezo, das sich für politische Gefangene einsetzt und eines der 20 an der Philosophischen Fakultät der Unam tätigen Kollektive ist, findet in Mexiko eine »Kolumbianisierung« statt. »Seit einigen Jahren schon versucht man sukzessive, linke politische Kollektive mit bewaffneten Gruppen und über diese mit dem Drogenhandel in Verbindung zu bringen. Menschenrechtsgruppen und studentische Kollektive werden in Mexiko immer wieder als Fassade der Drogenkartelle dargestellt – so sind wir plötzlich Verteidiger der Narco-Terroristen. Das macht uns extrem verletzlich, denn die öffentliche Meinung heißt die harte Bestrafung von Kriminellen und Drogenhändlern durchaus gut.«