Der faschistische Sänger Thompson ist angeklagt und Kroatien in der Krise

Ein Kommissar als Antifa

Die Strafanzeige eines Kommissars gegen den faschistischen Sänger Thompson führt in Kroatien zur Regierungskrise.

Slaven Bilic, der Trainer der kroatischen Fußballnationalmannschaft, gilt als neuer Trainertyp. Er ist gerade mal 40 Jahre, raucht auf der Trainerbank, trägt Tattoos und einen Ohrring und ist zudem noch Bassist der Rockband Rawbau. Doch wer Bilic deswegen für einen gesellschaftlichen Außenseiter hält, liegt falsch. Vielmehr verkörpert er den durchschnittlichen Kroaten dieser Tage, dem die Nation am Herzen liegt und der trotzdem gerne Punkrock hört.

Nach dem ersten EM-Gruppenspiel gegen Österreich legte Bilic in der Umkleidekabine die CD des in Kroatien äußerst populären Rocksängers Thompson ein. Thompson ist bekennender Anhänger der Ustaša. Gemeinsam mit seinen Fans, die sich selbst mit Ustaša-Symbolen schmücken, singt er unter anderem die Lieder der kroatischen Faschisten und skandiert, es gebe in Kroatien keinen Platz für Juden und Serben. Von der Thompson-Party in der kroatischen Umkleidekabine erfuhr man aber nicht etwa durch einen investigativen Journalisten, sondern durch Bilic selbst, der auf einer Pressekonferenz freimütig erzählte, dass er zur Aufmunterung seiner Mannschaft Thompsons Musik benutze.
Obwohl diese Information kurzzeitig international für Empörung sorgte, konnte Bilic daran nichts Skandalöses finden, hatte Thompson doch erst einige Tage zuvor, am 30. Mai, vor 60 000 Zuschauern ein Konzert auf dem zentralen Platz der kroatischen Hauptstadt Zagreb gegeben. Dass dieses Konzert Ende vergangener Woche zu einer Regierungskrise in Kroatien führen sollte, konnte Bilic freilich nicht ahnen. Denn bislang war in Kroatien der Protest von jüdischen Organisationen und Menschenrechtsvereinen gegen die Auftritte des faschistischen Sängers erfolgreich ignoriert worden.
Und auch die Strafanzeige, die der Zagreber Kriminalkommissar Josip Gašparac nach dem Konzert am 30. Mai gegen Marko Perkovic alias Thompson wegen rassistischer Diskriminierung stellte, hätte wahrscheinlich kein weiteres Aufsehen erregt, wenn der Kriminalkommissar nicht Ende vergangener Woche mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert worden wäre. Die Zeitung Jutarnji List und Abgeordnete der sozialdemokratischen Oppositionspartei skandalisierten die Suspendierung und verteidigten Gašparacs Strafanzeige. Vesna Pusic, Vorsitzende der liberalen Kroatischen Volkspartei (HNS) forderte gar den Rücktritt des Innenministers Berislav Roncevic.
Marijan Benko, oberster Polizeidirektor und Krunoslav Borovac, Sprecher des Innenministeriums, verteidigten ihren Entschluss, Gašparac zu entlassen. Dieser sei nicht etwa wegen seiner Anzeige abgesetzt worden, sondern weil er seit Jahren psychische Probleme habe, Stühle durch sein Büro werfe und Kollegen per SMS beleidige. Außerdem habe er eigenmächtig gehandelt und nicht den vorgeschriebenen Dienstweg eingehalten, um seine Anzeige zu erstatten.

Dilettantischer hätten die beiden Verantwortlichen nicht argumentieren können. Denn wenn Gašparac tatsächlich seit Jahren ein psychisch labiler Kollege gewesen wäre, bliebe die Frage, warum er erst jetzt und ausgerechnet anlässlich dieses Vorfalls entlassen wurde. Zum anderen konnte Gašparac sofort nachweisen, dass er den Dienstweg eingehalten, aber von keinem seiner Vorgesetzten Unterstützung erhalten hatte, sondern den Ratschlag, sich im Falle Thompson an den Staatsanwalt zu wenden, was er vergangene Woche dann auch tat.
Ivo Banac, Direktor des Helsinki-Komitees, stellte die Suspendierung des Kriminalkommissars in eine Reihe ähnlich fragwürdiger Entscheidungen, die von Polizei und Innenministerium in den vergangenen Monaten getroffen wurden und unterstellte Teilen des Polizeiapparats mit »verschiedenen kriminellen Strukturen« zusammenzu­arbeiten. Premierminister Ivo Sanader müsse sich fragen, wer eigentlich die Entscheidungen der Polizei trifft. Sanader hat sich bislang allerdings zum Fall Gašparac nicht geäußert, außer dass er Thompson zwar nicht höre, aber einige seiner Lieder ganz gut finde.