Die Krise in Zimbabwe

Der Ritter und seine Höflinge

Aus eigener Kraft kann die zimbabwische Opposition Mugabe nicht stürzen. Mitt­lerweile drängen jedoch die afrikanischen Staaten den Autokraten zu einem Kompromiss.

Wirklich erfreuen konnte Nicolae Ceaucescu sich nicht am Weihnachtsfest. Am 24.Dezember 1989 entzog ihm Königin Elizabeth II. die Ritterwürde, am folgenden Tag trat der gestürzte rumänische Diktator vor ein Exekutionskommando. Doch so schnell geht es nicht immer. Am Mittwoch der vergangenen Woche wurde dem zimbabwischen Autokraten Robert Mugabe das Privileg ent­zogen, sich »Knight Grand Cross in the Order of Bath« nennen zu dürfen. Zwei Tage später ließ sich Mugabe in einer Wahl ohne Gegenkandidaten als Präsident bestätigen.
Es gibt jedoch eine Reihe von Parallelen zwischen Mugabe und Ceaucescu. Mugabe die Ritter­würde zu entziehen, sei »ein Zeichen des Abscheus über die Menschenrechtsverletzungen und die verächtliche Geringschätzung des demokratischen Prozesses«, teilte das britische Außenministerium mit. Im Jahr 1994, als Mugabe die Ritterwürde verliehen wurde, hatte Ihre Majestät wohl schon vergessen, dass dessen Truppen zwischen 1982 und 1987 im Matabeleland mindestens 10 000 Zivilisten massakriert hatten. Die Wahlen manipulierte Mugabe damals ebenso dreist wie heute.
Ceaucescu profitierte von seiner Außenpolitik, die zuweilen wenig Rücksicht auf die Interessen der UdSSR nahm. Diese ritterliche Haltung galt es zu würdigen, mochte auch das Regime selbst nach realsozialistischen Maßstäben extrem repressiv sein. Doch Ceaucescu wollte um jeden Preis sämtliche Auslandsschulden Rumäniens til­gen. Die Wirtschaft kollabierte, die Bevölkerung rebellierte, vor allem aber wandte sich der Staats­apparat gegen Ceaucescu und entledigte sich des Diktators.
Ein ähnliches Schicksal könnte auch Mugabe bevorstehen, dessen allein auf den Machterhalt ausgerichtete Wirtschaftspolitik dem Land eine Inflationsrate von mindestens 100 000 Prozent bescherte. Da er selbst bei seinen Feinden wegen seiner führenden Rolle im Kampf gegen das weiße Siedlerregime einen gewissen Respekt genießt, wird ihm das Exekutionskommando wohl erspart bleiben.
Mugabe wird, auch dies ist eine Parallele zu Ceau­cescu, häufig für einen Linken gehalten. Doch er hatte die Ritterwürde verdient. Seine Kompromissbereitschaft beim Übergang zur Unabhängigkeit sicherte ihm den Repekt des britischen Es­tablishments. Mugabe machte 1980 im Lancaster House Agreement weit reichende Zugeständnisse, unter anderem sagte er zu, die weißen Großgrundbesitzer nicht zu enteignen. Als es in den Jahren nach der Unabhängigkeit zu spontanen Landbesetzungen kam, ließ Mugabe die Besetzer durch die Polizei vertreiben.
Die politische Krise, deren vorläufiger Höhepunkt die Scheinwahl der vergangenen Woche war, begann vor acht Jahren. In einem Referendum lehnten 55 Prozent der Bevölkerung die von Mugabe gewünschten Verfassungsänderungen ab, ein Hinweis darauf, dass das Regime die Gefolgschaft der Mehrheit verloren hatte, und ein erster Erfolg für das nur ein Jahr zuvor gegründete oppositionelle Bündnis Movement for Democratic Change (MDC). Nun begann die Enteignungs­kampagne gegen weiße Farmer, getragen von der Assoziation der Kriegsveteranen.
Mugabe wollte gleich mehrere Probleme lösen. Eine Kampagne der Veteranen des Befreiungskampfes gegen die weißen Großgrundbesitzer und ihre Unterstützer in Großbritannien sollte nationalistische Ressentiments schüren und die Opposition schwächen. Vor allem aber bedurfte Mugabe dringend neuer Ressourcen, die er unter seinen Anhängern verteilen konnte. Die beschaffte er sich durch die Enteignung von 95 Prozent der weißen Farmer.

Eine Landreform war längst überfällig, nicht nur aus politischen und sozialen Gründen. Jene 4 000 überwiegend weißen Familien, die 70 Prozent des fruchtbaren Landes besaßen, waren auch ein Hindernis bei der wirtschaftlichen Modernisierung. Denn sie stützten sich auf Landarbeiter, deren Löhne so niedrig waren, dass intensive Bewirtschaftung und Mechanisierung sich nicht auszahlten. Der Übergang zu bäuerlichen Einzelbetrieben oder Genossenschaften, die Zugang zu Krediten für eine Modernisierung ihrer Produktion haben, hätte Zimbabwe zu einem ökonomischen Aufschwung verhelfen können.
Großbritannien hatte im Lancaster House Agree­ment zugesagt, zumindest einen Teil der Gelder bereit zu stellen, die benötigt wurden, um Land von den Großgrundbesitzern zu erwerben, dieses Versprechen jedoch gebrochen. Das für die Mo­dernisierung der Landwirtschaft nötige Kapital fehlt auch anderen afrikanischen Staaten. Dort aber gibt es wenigstens Subsistenzbauern, die für den eigenen Bedarf produzieren und geringe Überschüsse verkaufen.
Die Landarbeiter gingen bei der Verteilung leer aus, in zahlreichen Fällen wurden die Farmen Höflingen Mugabes übereignet. Dabei scheint der Autokrat hin und wieder den Überblick zu verlieren. So übertrug ein Dekret des Präsidenten im April die Farm Daskop dem Richter Chinembiri Bhunu, sehr zum Unwillen Professor Lovemore Gwanzuras, der diese Farm gerade von David Mangota, Sekretär im Justizministerium und Groß­grundbesitzer seit Juli 2002, übernommen hatte. Mangota wurde mit einer größeren Farm bedacht, doch Gwanzura beklagte Mitte Juni vor Gericht, Bhunu habe seine Farm für »besondere Dienste« erhalten. Der Richter hatte geholfen, den in Ungnade gefallenen Generalstaatsanwalt abzusetzen.
Ein solches Recycling der Höflinge ist der landwirtschaftlichen Produktivität nicht zuträglich, der Ernteertrag sank den Berechnungen Tony Haw­kins von der University of Zimbabwe zufolge zwischen 2000 und 2007 um 51 Prozent. Dieser Rückgang führte zur Krise auch in anderen Wirtschaftsbereichen, das Bruttosozialprodukt fiel um 40 Prozent, die im afrikanischen Vergleich überdurchschnittlich gute Infrastruktur verfällt. Die Lebenserwartung sank auf 43,5 Jahre.

Die Verelendung diskreditiert Mugabe, doch sie schwächt auch die Opposition. Denn die meisten Menschen sind vollauf damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern, überdies ist die wohl wichtigste Kampfform, der Streik, praktisch wirkungs­los geworden. Derzeit liegt die Arbeitslosenrate über 80 Prozent, wo kaum noch etwas produziert wird, kann ein Streik keinen ökonomischen Druck ausüben.
Der MDC ist ein heterogenes Bündnis verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Ihr Vorsitzender Morgan Tsvangirai ist ein ehemaliger Gewerk­schaftsführer, sie repräsentiert die meisten Angehörigen der schmalen und verarmten Mittelschicht, doch auch Unternehmer und Großgrund­besitzer haben sich der Oppositionspartei angeschlossen, die in den vergangenen Jahren große Teile der Landbevölkerung integrieren konnte. Doch obwohl die Opposition, deren Sieg bei den Parlamentswahlen im März sogar das Regime eingestand, die Mehrheit der Zimbabwer vertritt, hat sie bislang keine Strategie gefunden, um Mugabe zu entmachten. Dass Tsvangirai am vorvergangenen Sonntag seine Teilnahme an der Stichwahl gegen Mugabe absagte, kam einem Ein­geständnis gleich, das Regime nicht aus eigener Kraft stürzen zu können.
In den Wochen zuvor hatte eine zentral organisierte Kampagne die Oppositionellen terrorisiert. Mugabes Schlägertrupps töteten mehr als 100 Menschen, unzählige andere wurden geschlagen, gefoltert oder vergewaltigt. Militanten Widerstand will die MDC nicht organisieren, zu groß erscheint die Übermacht der militärischen und paramilitärischen Verbände, und Mugabe bewies ja bereits in den achtziger Jahren, dass er zu einem noch weit brutaleren Vorgehen bereit ist.
Stattdessen appelliert Tsvangirai an die »internationale Gemeinschaft«. In der vergangenen Woche forderte er in einem Kommentar für die britische Zeitung Guardian von der Uno die Entsendung einer »Streitmacht zum Schutz der Bevölkerung« und des »demokratischen Prozesses«. Abgesehen davon, dass die Lebenserwartung in Afghanistan ungeachtet des angeblich erfolgreichen Wiederaufbaus nur drei Monate höher ist als im Reich Mugabes und es auch um den »demokratischen Prozess« nicht gut bestellt ist, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die westlichen oder afrikanischen Staaten eine Militärintervention beabsichtigen.

Doch Tsvangirai geht es wohl vor allem um stärkere internationale, insbesondere afrikanische Unterstützung. Bislang hat sich vor allem die afrikanische Gewerkschaftsbewegung mit der Opposition in Zimbabwe solidarisiert. Die Regierungen hingegen kritisierten Mugabe allenfalls sehr dezent. Doch in der Afrikanischen Union (AU) hat das Prinzip der »Nichteinmischung in innere Angelegenheiten« keine absolute Gültigkeit mehr. Die Auswirkungen einer Krise auf die Nachbarstaaten sind zu groß, um sie ignorieren zu können. Ein ökonomischer Zusammenbruch oder ein Bürgerkrieg in Zimbabwe hätten katastrophale Folgen für das südliche Afrika.
Am Montag begann das Gipfeltreffen der AU in Ägypten, und die südafrikanische Regierung scheint nun entschlossen zu sein, Mugabe zu einer Koalitionsregierung mit der MDC und Reformen zu drängen. Eine entsprechende Resolution der AU könnte Mugabe schwerlich zurückweisen, er könnte jedoch eine Einigung hintertreiben. Allerdings wächst in seiner Partei Zanu-PF und unter seinen Klienten die Unzufriedenheit, schließlich entwertet die Inflation auch Beu­te und Pfründe. Denkbar wäre eine Verfassungsänderung, die dem Präsidenten nur zeremonielle Funktionen belässt, während die MDC und reformbereite Kader der Zanu-PF eine neue politische Ordnung erarbeiten.
Das wäre keine ideale Lösung, so könnte jedoch der Terror beendet werden. Doch die extreme Politisierung der Wirtschaft hat die Gesellschaft polarisiert. Je nach ihrer Stellung erhalten Mugabes Klienten Großgrundbesitz, ein Auto oder auch nur jenen Sack Mais, der ihre Familie sättigt, während die Nachbarn hungern. Die Helfer, die für Mugabe gemordet und betrogen haben, sind wahrscheinlich ein größeres Problem als der Präsident selbst.
Nur Gott könne ihn abberufen, sagt der 84jährige. Gott lässt sich Zeit, doch ahnt wohl auch Mugabe, dass er nicht unsterblich ist, und zweifellos möchte er als Befreiungskämpfer an der Seite Nelson Mandelas in die Geschichte eingehen und nicht als ein von seinen afrikanischen Kollegen verachteter Despot. Sogar Ritter könnte er noch einmal werden, denn die entzogene Ehrung kann erneut gewährt werden, wenn Mugabe sich zu einem Kompromiss bequemt.