Han kostet vor

Früher beschäftigten Könige einen Vorkoster, um nicht vergiftet zu werden. Heutzutage müssen Regierungschefs vorkosten, um der Bevölkerung zu beweisen, dass sie nicht vergiftet wird. So knabberten diverse asiatische Politiker an Hühnerkeulen, um zu demonstrieren, dass durch die Vogelgrippe keine Gefahr drohe. Der südkoreanische Premierminister Han Seung-soo ließ sich nun 12 Kilogramm Rindfleisch aus den USA liefern, um zu dessen Verzehr zu ermuntern. Die Kritiker der Regierung beeindruckte das nicht, sie befürchten weiterhin, dass die Bestimmungen nicht streng genug seien, um die Einfuhr von mit BSE verseuchtem Rindfleisch zu verhindern. Dass die Importe in der vergangenen Woche wieder aufgenommen wurden, führte zu einem erneuten Aufflammen der Proteste. Am Sonntag versuchten 15 000 Demonstranten in der Hauptstadt Seoul, sich den von Polizisten versperrten Weg zum Präsidentenpalast freizukämpfen. Mehr als 130 Protestierende wurden festgenommen. Die Proteste stellten »die Glaubwürdigkeit der südkoreanischen Wirtschaft« in Frage und mindern die Investitionsbereitschaft, mahnte Han.
Da es nur drei BSE-Fälle in den USA gab (in Deutschland waren es mehr als 300) und die Verbreitung durch die Verfütterung von infiziertem Fleisch und Knochen an Rinder gestoppt wurde, scheint die Aufregung etwas übertrieben. Doch das US-Rindfleisch ist offenbar für viele ein Symbol für die Politik des konservativen Präsidenten Lee Myung-bak. Lee beschäftigt in seinem Kabinett Funktionäre des Militärregimes, das Südkorea zwischen 1953 und 1987 regierte und von den USA vorbehaltlos unterstützt wurde. Er will die Beziehungen zu den USA ausbauen und plant unternehmerfreundliche Reformen, die viele von der Gewerkschaftsbewegung erkämpfte Fortschritte in Frage stellen würden. js