Serie über Serien: »Ekel Alfred«

Das Ekel und die Volksseele

Serie über Serien. »Ekel Alfred« ist ein rechter Spießer. Axel Klingenberg liebt ihn

Deutsche Adaptionen ausländischer Fernsehserien funktionieren selten – en detail sind die gesellschaftlichen Voraussetzungen und die nationalen Gemüter doch jeweils zu unterschiedlich. »Ein Herz und eine Seele« – im Volksmund eher bekannt als »Ekel Alfred« – ist eines der wenigen Gegenbeispiele. Vorbild hierfür ist die britische Produktion »’till Death Do Us Part« von Johnny Speight gewesen, dessen Held Alf schon allein deshalb komisch gewesen ist, weil er als Hafenarbeiter die Tories gewählt hat – im Großbritannien der siebziger Jahre ist eben noch klar, dass die Klassenzugehörigkeit ausschlaggebend für das Wahlverhalten ist, Arbeiter haben deshalb eigentlich Labour zu wählen. Hier und heute ist das anders. Es soll sogar Putzfrauen geben, die die Grünen wählen, als bestünde tatsächlich die Aussicht, dass ihnen dies die Partei der Akademiker und Selbständigen jemals danken würde.
Alfred Tetzlaff, das deutsche Pendant zu dem britischen Monarchisten, macht sein Kreuzchen selbstredend ebenfalls bei den Konservativen, denn er ist ein Kalter Krieger, ein Spießbürger, ein Möchtegern-Patriarch, der sogar die SPD für kommunistisch hält – auch das ist in den Siebzigern noch möglich. Regisseur Wolfgang Menge lässt Alfred Tetzlaff (Heinz Schubert) Dinge sagen, die eigentlich unsagbar (wenn eben auch nicht undenkbar) sind: Seine Frau ist eine »dusslige Kuh« und sein Schwiegersohn (Diether Krebs) ein »Scheißsozi«, der »nur an seine Lenden und nicht an sein Land denkt, diese Sau«. Überhaupt die Sozis: »Die sind doch froh«, schwadroniert Alfred, »wenn wir alle impotent werden. Paragraph 218, die Gamma-Strahlen, dann haben die bald das ganze deutsche Volk mit ausgerottet und können dann endlich die Slawen kommen lassen.« Angeführt vermutlich vom »CIA-Agenten Ulbricht«. Und alle anderen sind schlicht »Arschlöcher«.
Natürlich ist das alles unendlich überspitzt, aber die Abneigung der schweigenden Mehrheit der Deutschen gegen die so genannte »sexuelle Revolution«, aber auch gegen jede andere Revolution, wird hier glaubwürdig von »Ekel Alfred« verkörpert. Unvergesslich ist mir die Szene, in der er am Esstisch sitzt und Fußpflege betreibt. Und dabei einen Zehennagel in die Kaffeetasse seiner Frau schnippt, die empört aufschreit. »Was stellst du auch die Tasse dahin, wo ich meine Fußnägel schneide?« kommentiert er ungerührt. Das ist ignorant, das ist gemein, das ist großartig. Und die Deutschen lachen – vielleicht sogar ausnahmsweise mal über sich selbst.
Allerdings nicht alle, einige bekommen es auch mit der Angst zu tun. Denn: Was soll das Ausland von uns denken? Und bestärkt dieser Alfred Tetzlaff nicht sogar die Menschen in ihren von Bild geprägten Meinungen? Darf man überhaupt all diese ras­sistischen Vorurteile und die verschwörungstheoretische Paranoia zum Ausdruck bringen? In dieser ordinären Sprache? Man darf, aber nicht allzu lange, denn dann geht die Schauspieler-Konstellation auseinander: Der schon er­wähn­te Diether Krebs und seine Kollegin Elisabeth Wiedemann (Else Tetzlaff) steigen aus. Sie wird durch Helga Feddersen ersetzt. Gleichzeitig werden die politisch-satirischen Elemente zurückgeschraubt – das Ergebnis ist ein starker Rückgang der Zuschauerzahlen. Dankbar ergreifen die ARD-Chefs die Gelegenheit, die Serie abzusetzen. Von der zweiten Staffel werden nur noch vier Folgen gedreht.
Auch eine geplante Neuauflage in den neunziger Jahren platzt und Menges Serie »Motzki« ist nur ein schwacher Abklatsch alten Glanzes. Immerhin locken die recht regelmäßigen Wiederholungen der ersten Ekel-Alfred-Staffel noch zahlreiche Zuschauer vor die Glotze. Und auch auf DVD sind die meisten Folgen zu haben. Die Neuauflage einer satirischen Sitcom dürfte bei den gleichgeschalteten Fernsehanstalten heutzutage allerdings unmöglich sein.