Das Scheitern der UN-Menschenrechtskommission

Ich foltere, du folterst, wir foltern

Der Vorgänger des Menschenrechtsrats, die Menschenrechtskommission, wurde vor zwei Jahren abgeschafft. Sie scheiterte vor allem an ihrem eigenen Anspruch, in einem zutiefst politisierten Gremium ein allgemein verbindliches Normensystem für die Einhaltung von Menschenrechten zu schaffen.

Das Wortgefecht, das sich der zimbabwische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Boniface Chidyausiku, und sein amerikanischer Amtskollege, William Brencick, im Jahr 2005 am Sitz der Uno in Genf lieferten, zeigt recht anschaulich, wa­rum die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen scheitern musste. Als Zimbabwe da­mals in das aus 53 Nationen zusammen gesetzte Gremium gewählt werden sollte, ereiferte sich Brencick: »Wie können wir erwarten, dass die Regierung von Zimbabwe die internationalen Menschenrechte in der Menschenrechtskommission unterstützt, wo sie die Rechte ihrer eigenen Bevölkerung unverhohlen verletzt?« Die Replik des zimbabwischen Amtskollegen hatte dann nur noch wenig mit Diplomatie zu tun: »Es ist allgemein bekannt, dass die USA eine Menge Dreck am Stecken haben und alles tun, um sicherzustellen, dass sie nicht einer internationalen Untersuchung ausgesetzt werden.«

Zimbabwe war von den afrikanischen Staaten in das Gremium gewählt worden – ein üblicher Vor­gang. Denn die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen beruhte seit ihrer Gründung im Jahr 1946 auf einem streng gegliederten System des regionalen Proporzes. Die fünf Regionalgruppen im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOCSOC) beschickten die Kom­mission, die relative Mehrheit der Mitglieder genügte, um ein Land aufzunehmen. Wenn die afri­kanischen Staaten sich also auf Zimbabwe einigten und etwa lateinamerikanische oder asiatische Staaten dem zustimmten, konnte kein Veto den Sitz des Landes in der Kommission verhindern. Schon einige Jahre zuvor, Anfang 2003, einigte sich eine große Mehrheit der 53 Mitgliedsstaaten darauf, Li­byen den Vorsitz der Kommission zu überlassen. Die afrikanische Staatengruppe hatte den damals politisch noch nicht resozialisierten Schurkenstaat vorgeschlagen, 33 Staaten stimmten für Libyens Vorsitz.
Diese interkontinentale Blockbildung war es letzt­­lich, die der Kommission in ihrem Wirken schwer zu schaffen machte. Das vorherrschende Leitmotiv der Mitglieder bei ihrem Abstim­mungs­­verhalten war die Zugehörigkeit zu einem der Re­gionalblöcke. Einmal drinnen, konnten Mit­glieds­staaten vor Ende ihres dreijährigen Mandats auch nicht mehr aus der Kommission fliegen. Weil neben Libyen oder Zimbabwe auch andere notorische Menschenrechtsverletzer wie China, Russland oder die eine oder andere südamerikanische Diktatur Sitz und Stimme im Gremium hatten und gefahrlos das eigene Prügeln und Foltern über die angeblich internationalen Normen stellen konnten, war die Schaffung eines Normen­systems auf Basis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 vollkommen unmöglich.
Gerade auch die Tatsache, dass es nicht möglich war, Staaten aus dem Gremium abzuwählen, verschärfte die Blockbildung unter den Teilnehmerstaaten – und eine gewisse Redundanz. Jedes Jahr, und das seit 1985, brachten die USA Resolutionen gegen Kuba ein, Kuba wiederum reagierte in regelmäßigen Abständen mit Resolutionen gegen die Vereinigten Staaten. Manchmal sogar mit outgesourctem moralischem Fundament. So ließ Kuba im Jahr 2006 rund 3 000 durchwegs pro­minente Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und NGO-Vertreter eine Petition unterzeichnen, in der es hieß, dass »die Regierung der Vereinigten Staaten keine moralische Autorität besitzt, sich zum Richter über die Menschenrechte in Kuba zu erheben«. Es waren im übrigen oft die rund 200 als Beobachter assoziierten NGO, die überhaupt für eine gewisse Dynamik des Gremiums sorgten. Darunter befanden sich jedoch auch so genannte »Gongos«, also als Nichtregierungsorganisationen etikettierte Vereinigungen, die vor allem die Interessen von Regierungen durchzusetzen ver­suchten.

Selbst Kofi Annan, als Generalsekretär der Vereinten Nationen nicht unbedingt der Durch­set­zungs­fähigste, musste auf einer der letzten Sitzungen der Kommission befinden, dass die Erfolg­losigkeit des Gremiums mittlerweile imstande war, den Ruf der ganzen Weltorganisation anzukratzen: »Wir sind an einem Punkt, an dem die sinkende Glaubwürdigkeit der Kommission einen Schatten auf die Reputation des ganzen UN-Systems wirft und an dem punktuelle Reformen nicht mehr ausreichen.«
Punktuelle Reformen hatten tatsächlich nicht mehr gereicht, um die wohl am meisten diskreditierte Unterorganisation der Vereinten Nationen zu retten. Nur kurz etwa war angedacht, zumindest die Sitzungsperioden an die Zeitläufte anzupassen, denn die Menschenrechtskommission tagte nur einmal im Jahr in Genf. Nach der Auflösung am 27. März 2006 sollte der nachfolgende Menschrechtsrat einen »konsequenten Neu­beginn« darstellen, wie Kofi Annan erklärte. Die Zahl der Mitglieder wurde von 53 auf 47 reduziert. China, Saudi-Arabien, Russland und Pakistan waren beim vermeintlichen »Neubeginn« gleich wieder mit dabei - auch eine Art von »Konsequenz«.