07.08.2008
Campen gegen ­Rassismus und Klimawandel in Hamburg

Ungehorsam zelten

Zwei Camps in Hamburg beschäftigen sich mit dem Rassismus, dem Klimawandel und beidem zusammen.

Man möchte »senegalesische Fischer mit Hamburger Fischköpfen ins Gespräch bringen« und sich für ein »ganz anderes Klima« einsetzen. Das Motto des geplanten Doppelcamps in Hamburg lautet: »Make social change not climate change«. Vom 16. bis 24. August werden die Zelte aufgeschlagen. Das Klimacamp und das Antirassistische Camp teilen sich einen Platz, wahrscheinlich auf der citynahen Elbinsel Entenwerder.
Die Camper möchten nicht nur die beiden Themen zur gleichen Zeit in die Stadt tragen. Ihr Ziel ist es auch, den Klimawandel, militarisierte Flüchtlingsabwehr, Ernährung und Fluchtursachen inhaltlich miteinander zu verknüpfen. Anti­rassistische Gruppen und Flüchtlingsinitiativen wollen sich gemeinsam mit dem Bündnis für das Klimacamp – mit dabei sind Attac, Avanti, Gruppen aus der radikalen Umweltbewegung, globalisierungskritische Initiativen und parteinahe Verbände wie die Linksjugend Solid und die Grüne Jugend – für »Bewegungsfreiheit, gleiche Rechte für alle und eine sozial gerechte Klimapolitik« einsetzen.

»Hamburg kommt die traurige Rolle als norddeutsche Abschiebezentrale zu«, sagt Andrea Doria vom Antirassistischen Camp. »Beispielhaft ist hier die Chartergesellschaft Hamburg International, die beim Geschäft mit Abschiebeflügen zum Beispiel nach Afghanistan oder durch die Or­ganisation von EU-Sammelabschiebungen nach Afrika mitverdient.«
Die Camps laden zu inhaltlichen Debatten und zahlreichen Protestaktionen ein, etwa gegen die Agrodieselfabrik von Archer Daniels Midland, gegen die Ausländerbehörde in der Amsinckstraße oder die »EU-Agentur« Frontex, die in der Lübecker Bundespolizeiakademie ausbildet. Geplant ist auch ein »Tag gegen den rassistischen Normal­zustand«. Höhepunkte sollen die Aktionen unter der Überschrift »Fluten 3.0« am 22. August am Ham­burger Flughafen sein und »Gegenstrom 08« mit einer Besetzung der Baustelle des Kohlekraftwerks Moorburg am nächsten Tag. Die Vorbereitungsgruppen rechnen zumindest an diesen Tagen mit rund 2 500 Personen.
Im Sommer 2001 war mit dem Antirassistischen Camp in Frankfurt am Main ein Höhepunkt interventionistischer und öffentlichkeitswirksamer Aktion in Deutschland erreicht worden, was in dieser Form, vielleicht in Folge des Schocks von Genua und der Anschläge vom 11. September, nicht mehr gelang – sieht man einmal von den Aktivitäten rund um Heiligendamm ab. Immerhin kann man bereits auf eine mehr als zehnjährige Geschichte antirassistischer Camps zurückblicken, bei denen u.a. die politische Zusammenarbeit von weißen und schwarzen Aktivisten aus dem globalen Norden und Süden erprobt wurde.
Mitglieder der Flüchtlingsinitiative Brandenburg, der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten und der Nolager-Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern und aus Blanken­burg in Niedersachsen haben auch diesmal von Anfang an mit vorbereitet. Doch Residenzpflicht und Abschiebetermine machen ihnen das Leben schwer. »Viele Flüchtlinge, vor allem aus Mecklen­burg-Vorpommern, haben ihre Lager verlassen und leben ohne gültige Papiere in Hamburg oder Berlin. Wegen den Polizeikontrollen haben die meisten Angst, auf das Camp zu kommen«, sagt ein Togoer von der Karawane.
Im Gegensatz zu manchen Nichtregierungsorganisationen und Integrationsverbänden wollen sich die Campteilnehmer nicht nur für bestimmte Gruppen von Migranten einsetzen (»Keine Abschiebung von Frauen nach Afghanistan« oder »Keine Abschiebungen, die Familien trennen«). Sie zählen sich zu einer Bewegung, die für die Bewegungsfreiheit aller Menschen, für Rechte jenseits der Bürgerrechte in einem Staat und gegen Abschiebungen generell einritt.
Während es beim Thema Antirassismus leicht fällt, sich vom offiziellen Diskurs abzugrenzen, ist es eine recht neue Herausforderung, in Sachen Klima neben den großen Umweltverbänden wie BUND und Greenpeace und der Regierungspolitik eigene Akzente zu setzen. Zum ersten Mal wird ein solches Ereignis in Deutschland stattfinden, seit die Idee vor zwei Jahren in Großbritannien entstand. »Unser Ziel ist es, eine neue Bewegung zu starten, die soziale und ökologische Aspekte verknüpft«, sagt Ines Koburger von der Vorbereitungsgruppe. »Ein solches Crossover knüpft an die G8-Mobilisierungen an«, erklärt Doria. Es gehe nicht nur darum, ein Energie sparendes Auto zu kaufen, sondern auch darum, gegen Grenzabschottung und Abschiebungen tätig zu werden. »Dabei werden wahrscheinlich nicht alle Gruppen mitziehen, und die Gefahr besteht, dass auch die Medien die Themen weiterhin trennen oder die Verbindung nur auf die so genannten Klimaflüchtlinge reduzieren.« Man wolle sich nicht in den herrschenden Diskurs begeben, sondern der Politik des Höher-Schneller-Weiter »ungehorsame Aktionen« entgegensetzen, sagt Koburger. »Der Klimawandel wird die sozialen Katastrophen verschärfen, und die Linke braucht gute Antworten darauf.«

Zunächst müssen aber die richtigen Fragen gestellt werden, will man nicht nur als Verstärker der Regierungen auftreten und effektivere Maßnahmen gegen die Erderwärmung fordern. Zwar stellen die Camper Instrumente wie den Emissionshandel in Frage und betonen die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten des globalen Nordens und Südens. Auch wird kritisiert, dass mit dem Klimawandel eine technische Modernisierungs- und Wachstumspolitik betrieben wird.
Aber warum der Klimawandel, der ohne Zweifel stattfindet, in den vergangenen Monaten das beherrschende Thema war, wird zum Beispiel kaum gefragt. Der Zusammenhang mit dem knap­per und teurer werdenden Öl wird selten hergestellt und die Etablierung neuer globaler Machtregimes im Zusammenhang mit dem inszenierten »Menschheitsproblem Klima« kaum beobachtet. Die Frage ist auch, ob die Linke sich unbedingt auf den Klimawandel beziehen muss, um auf das Verschleudern von Ressourcen, die Folgen der Exportlandwirtschaft und auf Hunger und Armut hinzuweisen. Nicht erst seit Soja für Agrosprit angebaut wird, sind Nahrungsmittel für viele Menschen unerschwinglich geworden.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Klima und Antiras­sismus sinnvoll zu kombinieren sind und die Camps in eine gute gemeinsame Richtung laufen«, sagt ein togoischer Flüchtling aus der Vorbereitungsgruppe.
Trotz des gemeinsamen Anspruchs, den Klima­wandel nicht nur als geophysikalische Veränderung der Atmosphäre zu verstehen, bleiben es zwei Camps mit getrennten Vorbereitungsgruppen, die sich bemühen zusammenzuarbeiten. Praktische, inhaltliche und bündnispolitische Unterschiede sind vorhanden. Aber man bereite gemein­sam Workshops vor und rufe zur Teilnahme an den jeweiligen Großaktionen auf, sagt Koburger.
Offen ist noch, wo die Veranstaltungen stattfinden. Die Suche nach einem geeigneten Ort werde seit Wochen von den städtischen Behörden verzögert und kriminalisiert. Ein Zwangsgeld von 25 000 Euro drohe, falls auf der Insel Entenwerder gezeltet werde, sagt Doria. »Linke planen Chaos-Camp«, titelte die Bild-Zeitung. »Der be­liebten Gewaltdebatte setzen wir eine praktische Kritik der herrschenden Gewaltverhältnisse entgegen«, sagt Doria. »Hamburg wird als Symbol massiver Abschiebepolitik und des unverantwortlichen Ausbaus der Kohleverstromung ein Ort des Protests gegen diese Politik sein. Daran kann keine vorgeschobene städtische Grünflächenordnung etwas ändern.«

Informationen unter www.camp08.antira.info und www.klimacamp08.net