Kolumbien und der Konflikt mit den Farc

Vermittler unerwünscht

Seit Ingrid Betancourts Befreiung wollen die Farc nicht mehr mit der kolumbianischen Regierung verhandeln. Auch Präsident Álvaro Uribe setzt auf eine militärische Lösung des Konflikts mit der Guerilla.

»Es wurden 15 Geiseln befreit. Aber vielleicht können nun Dutzende nicht mehr befreit werden.« Christophe Beney vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes drückte vergangene Woche in einem Interview erneut seine Wut aus, dass das kolumbianische Militär bei der Befreiung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt aus der Geiselhaft der Farc-Guerilla das Logo des Roten Kreuzes verwendete. Anfang Juli konnten Soldaten, als Rote-Kreuz-Helfer und Reporter verkleidet, in einem Täuschungsmanöver Betancourt und 14 weitere Geiseln befreien. Anfang August tauchten Videobänder auf, und der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe musste zugeben, dass die Befreiung offizieller Teil eines Plans der Regierung gewesen sei. Damit wurde nicht nur gegen die Genfer Konvention verstoßen, Kolumbien hat dadurch zukünftige Verhandlungen durch neutrale Vermittler stark erschwert. Für Verteidigungsminister Juan Manuel Santos ist dies aber nur »ein unbedeutendes Detail im Angesicht der großartigen Ergebnisse«.
Durch die spektakuläre Befreiung der berühmtesten Geisel der Farc ist eine friedliche Lösung des Konfliktes wieder in weite Ferne gerückt. Weitere Freilassungen der noch über 700 Geiseln würden nun, auch im militärischen Denken der Farc, nicht mehr als Zugeständnis, sondern als Eingeständnis der Niederlage erscheinen. Mit Waffen kann der Konflikt ohnehin nicht mehr gewonnen werden. Eine Legalisierung der Guerilla ist auch keine wirkliche Option. Ein ähnlicher Versuch endete in den achtziger Jahren mit einem Massenmord an den »legalisierten« Aktivisten.
Im Juli veröffentlichte der lateinamerikanische Fernsehsender Telesur eine Erklärung der Farc, die Ende Juni, also noch vor der Befreiung, aufgenommen worden war. Darin teilen die Farc mit, dass sie nicht mit Uribe verhandeln werden, da »nur eine neue, wirklich demokratische Regierung den Weg zu einer politischen Lösung des sozialen und bewaffneten Konfliktes« wieder aufnehmen könne. Stattdessen wünsche man sich den Ex-Sandinisten und derzeitigen Staatschef Nicaraguas, Daniel Ortega, als Vermittler, der sich für eine politische Lösung des »revolutionären Krieges« einsetze.

Die kolumbianische Regierung hingegen will gar keine Vermittler mehr. Vorige Woche bedankte sich Uribe bei einem Besuch der Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey für die »Zusammenarbeit« und beendete sie damit auch gleichzeitig. Kolumbien will die Schweiz, Frankreich und Spanien nun nicht weiter als Konfliktvermittler einsetzen, sondern stattdessen den »direkten Dialog« mit den Farc suchen.
Wie dieser »direkte Dialog« aussehen wird, zeichnet sich bereits ab: Die regierungsnahe Tages­zeitung El Tiempo berichtete im Juli unter Berufung auf Regierungsquellen, es sei mit der »größten bisher gesehenen Militäroffensive« zu rechnen, falls von der Guerilla nicht in Kürze klare Friedensangebote kommen. Selbst die befreite Betancourt äußerte sich dazu: »Für Uribe bedeutet das Ende der Farc die Wiederherstellung des Friedens. Für mich wird der Frieden in Kolumbien durch soziale Veränderungen erreicht.« Auf diese Veränderungen werden die Menschen aber wohl noch länger warten müssen. Umfragen zufolge ist die Unterstützung des rechtskonservativen Präsidenten nach der Befreiungsaktion auf 91 Prozent angestiegen. Beste Voraussetzungen für die von Uribe angestrebte Verfassungsänderung, mit der er 2010 seine erneute Wiederwahl ermöglichen will.