Ermittlung gegen Partisanen

In den Jahren 1941 bis 1944 wurden etwa 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Litauen ermordet. Die litauische Beteiligung an der Judenvernichtung aufzuarbeiten, gehört zu den Verpflichtungen, die das Land als EU-Mitglied eingegangen ist. Doch einige Staatsanwälte haben andere Vorstellungen. Nur zwei Litauer wurden wegen NS-Kriegsverbrechen verurteilt, keiner der beiden musste seine Strafe antreten. Doch seit einigen Monaten ermitteln Anklagebehörden gegen jüdische Widerstandskämpfer, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die deutsche Besatzungsmacht gekämpft haben. Drei ehemaligen Partisanen, darunter Yitzhak Arad, der frühere Direktor der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, wird vorgeworfen, an Aktionen beteiligt gewesen zu sein, bei denen Zivilisten getötet wurden. Die Untersuchungen sollen klären, ob gegen die drei Anklage wegen Kriegsverbrechen erhoben werden kann. Zum Beginn der Ermittlungen startete die regierungsnahe Tageszeitung Lietuvos Aidas eine Kampagne, in der die ehemaligen Partisanen als »Mörder« und »Terroristen« beschrieben wurden. Im Februar wurde Arad die Beteiligung an Erschießungen von Zivilisten unterstellt und gefragt, warum niemand die Partisanen vor Gericht stellt.
Nationalismus, Antikommunismus und die Vorstellung, gleichermaßen Opfer zweier vergleichbarer totalitärer Regime geworden zu sein, prägen in Litauen die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Doch nach einiger internationaler Aufregung hat der Präsident Valdas Adamkus nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Zentrums in der vergangenen Woche zugesagt, die Ermittlungen gegen die Widerstandskämpfer würden eingestellt. Die Anwälte der Betroffenen verweisen jedoch auf die Unabhängigkeit der Justizbehörden und bezweifeln die Verlässlichkeit dieser Zusage.   jg