Spürt Kälte!

Der letzte linke Student zittert. Warum zittert der letzte linke Student? Er zittert, denn ihm ist kalt. Ist dem letzten linken Studenten kalt, weil bald Herbst ist? Nein, er zittert, denn der Kalte Krieg ist wieder da. Und Kalter Krieg heißt: keine Diskussionen mehr. Entweder: du bist auf der Seite der Amerikaner. Oder: du bist gegen die Amerikaner. Entweder: du bist ganz an der Seite deiner Freunde. Oder: du bist ein Spion des Gegners. Entweder: du gibst deinen Leuten immer recht. Oder: du bist nicht würdig, dass du eingehst unter ihr Dach.
Das alles weiß der letzte linke Student. Und das: lässt ihn frösteln. Schnell schreibt er ins besondere Notizbuch: »Wir wussten, dass die Welt noch keinen Frieden hat. Aber wir glaubten mit Negri und Hardt, dass es friedlicher wird und dass die Globalisierung den Kommunismus bringt. Nun erwachen wir aus dem schönen Traum. Bald werden wieder die Waffen sprechen. Der Gedanke, dass ich schon bald im Krieg sterben muss, ist kaum zu denken.« Das schreibt der letzte linke Student, denn es ist wahr. All das sagt nicht nur er. Die Zeitungen sagen es auch. Das aber heißt: wir haben die Bunker vorschnell abgebaut. Wir haben die Berlin-Reserven voreilig verkauft. Wir haben den Westwall zu früh geschleift. Das alles weiß der letzte linke Student nun. Er weiß auch: ein Kalter Krieg wird schnell heiß. Nicht nur in Georgien. Sondern auch: hier. Andererseits brachte der letzte Krieg die Gründung der DDR. Heißt: Kriege befördern den Kommunismus. Obwohl sie per se: antikommunistisch sind. Heißt: man muss nicht nur gegen Krieg sein. Leider aber: fordert Kalter Krieg eine Entscheidung. Und keine Dialektik. Das macht den letzten linken Studenten sehr traurig. Und auch wir sollten uns überlegen, ob wir nicht rasch noch mal weinen.