Vater statt Vorsitzender

Mitte Juni bewarb sich Volker Ratzmann um den Bundesvorsitz der Grünen, sein Konkurrent hieß Cem Öz­demir. Im November sollte die Entschei­dung fallen, doch in der vergangenen Woche gab Ratzmann auf. Er wird Vater – und will seine Zeit lieber dem Nachwuchs statt den Parteiangelegenheiten widmen.
Von einer Entscheidung im Sinne von »Kind statt Karriere« kann man aber nicht sprechen, schließlich gab der Politiker in einem offenen Brief bekannt, er ziehe nur seine Kandidatur, aber nicht sich selbst zurück. Seinen Posten als Fraktionsvorsitzender für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus will er, anders als die Kandidatur zum Bundesvorsitzenden, offen­bar nicht aufgeben. Ein solch radikaler Schritt wäre auch untypisch für Ratzmann, schließlich gehört er in der Partei nicht zum linken Flügel, sondern zu dem der Reformer. Das war einmal anders. In den Achtzigern lebte Ratzmann in einem »Kampagnen­büro für linke Politik« – so nannte er seine WG mit dem derzeitigen Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei). Heut­zutage dagegen zieht Ratzmann seinen Volvo dem Fahrrad vor, um ins Büro zu gelangen. Bei den Grünen ist der 48jährige bestens integriert, mit Renate Künast betreibt er eine Anwaltskanzlei, auch seine Lebensgefährtin Kerstin Andreae ist Mitglied der Partei. Sie ist die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion im deutschen Bundestag. Auch wenn sich Ratzmann zunächst einmal von der Kandidatur für den Parteivorsitz verabschiedet hat, sind seine bundespolitischen Ambitionen Spiegel online zufolge »niemals« abgehakt. Vielleicht wäre eine politische Laufbahn auch etwas für Ratzmanns Sohn oder Tochter. Schließlich ist er oder sie noch nicht einmal auf der Welt und hat dennoch schon maßgeblich eine Personalfrage auf Bundesebene entschieden – ein eindrucksvoller Einstieg in eine politische Karriere.