Katalanisch gegen Spanisch

Spanisch als Fremdsprache

Mallorca ist eine spanische Insel. Spanisch kommt einem hier aber längst nicht alles vor, die Sprache schon gar nicht. Offensiv wird um die Sprachhoheit des Katalanischen gekämpft. Ziel ist das Ende der Zweisprachigkeit in der Region.
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Es steht nicht gut um das Katalanische. Das jedenfalls könnte man meinen, wenn man sich die Ergebnisse der letzten »Fußball-Europameisterschaft der sprachlichen Minderheiten« anschaut, welche parallel zur normalen Fußball-EM im Juni in der Schweiz stattfand. Die Katalanen scheiterten mit Pauken und Trompeten schon in der Vorrunde, nachdem sie gegen die Rätoromanen mit 0:5, gegen die Dänen in Deutschland mit 1:15 und gegen die Aromunen in Rumänen mit satten 0:19 Toren unterlegen waren. (Am Ende gewannen übrigens die Südtiroler das bizarre Ethno-Turnier.)
Auf den Balearen wie auch in Barcelona mangelt es den Katalanen trotz der peinlichen Schlappe beim Fußball jedoch nicht an Selbstbewusstsein. Das führte im Sommer zu einem grotesken Streit zwischen der mallorquinischen Regierung und der deutschen Fluggesellschaft Air Berlin, die der Hauptzulieferer für die deutschen Touristenmassen und damit auf Mallorca eine nicht zu unterschätzende Wirtschaftsmacht ist. Weil Air Berlin sich geweigert hatte, auf Mallorca-Flügen seinen Service auch in Katalanisch anzubieten, hagelte es Kritik, auf die Air-Berlin-Chef Joachim Hunold wiederum mit einer deftigen Polemik im Bordmagazin reagierte. Er sei so stolz gewesen, dass es seiner Gesellschaft gerade gelungen war, auf jedem innerspanischen Flug eine spanisch sprechende Stewardess dabeizuhaben, ob er denen jetzt etwa auch noch Kurse in Katalanisch verordnen solle, fragte er, und den Stewardessen, »die die Gäste auf Flügen nach Galizien oder ins Baskenland betreuen, auch in Galizisch oder Baskisch?« Die »von regionalen Nationalisten in weiten Teilen Spaniens angestrebte Autonomie« sei »ein Rückfall in mittelalterliche Kleinstaaterei«, schrieb er.
Nach diesem Artikel ging es erst richtig los: Eine mallorquinische Tageszeitung erklärte Hunold zur »unerwünschten Person«, eine Initiative zur Verbreiterung der katalanischen Sprache empfahl den Boykott der Airline, und der linke katalanische Politiker Joán Puig Cordón schrieb in seinem Internet-Blog, die »Air Goebbels« solle für die Äußerungen Hunolds gefälligst »um Vergebung bitten«, und montierte ein Hakenkreuz in das Air-Berlin-Logo. Im Internet kursierten Videos von abstürzenden Air-Berlin-Maschinen, und der Fußballverein FC Barcelona sagte aus Protest einen mit Air Berlin geplanten Flug zu einem Auswärts­spiel in die USA ab. Da Air Berlin ein derart wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Balearen ist, konnte es sich das Unternehmen jedoch leisten, im Sprachenstreit nicht nachzugeben. »Niemand ist verpflichtet, mit Air Berlin zu fliegen«, erklärte der Spanien-Chef Air Berlins, Alvaro Middelmann, die Sache für erledigt.

Auf den ersten Blick erscheinen die überzogene Aufregung der katalanischen Nationalisten und vor allem der Nazi-Vergleich völlig unverständlich. Nur historisch wird dies zumindest ein wenig nachvollziehbar: Da es im Franco-Regime verboten war, Katalanisch zu sprechen (siehe Dossier Seiten 20–27), empfinden es einige Katalanen als besonders anstößig, wenn nun ausgerechnet Deutsche, also die Nazi-Nachfahren, sich gegen die katalanische Sprache wenden. Das Katalanische gilt aufgrund der Geschichte auch als Sprache der Demokratie und der Befreiung. Die katalanischen Nationalisten wenden sich mit ihrem Nationalismus auch gegen den zentralstaatlichen spanischen Nationalismus. Allerdings hatte Hunold ja nicht das Verbot der Regionalsprache gefordert, sondern lediglich erklärt, weshalb sein Unternehmen da nicht mitmachen werde. Dass die Aufregung trotzdem so groß war, zeigt, wie emotional der Sprachenstreit in Spanien derzeit aufgeladen ist.
Seit die Balearen 1983 einen Autonomie­status erlangten, kam es zu einer Wiedergeburt des Katalanischen, bzw. dessen lokaler Variante, dem Mallorquin. Obwohl offiziell nur eine von zwei Amtssprachen, haben es katalanische Nationalisten geschafft, dass Katalanisch inzwischen noch vor dem kastilischen Spanisch die Hauptsprache der Insel ist. Orts- und Straßenschilder, Amtsformulare – man spricht catalán. Spanisch wird zunehmend als Fremdsprache betrachtet. Auch im Parlament und in den Schulen ist Katalanisch die Hauptsprache. Man kann in Katalonien sein Kind auch mit Englisch, Französisch oder Deutsch als erster Sprache einschulen lassen, nicht aber mit Spanisch. Als kürzlich die Zentralregierung in Madrid eine dritte Spanisch-Stunde an den Schulen anordnete, hagelte es auf Mallorca Proteste. Die Zweisprachigkeit, die früher auf den Balearen herrschte, scheint bald am Ende zu sein.

Forciert wird diese Entwicklung vor allem von der seit einem Jahr regierenden Mitte-Links-Regierung der Balearen. Viele Verordnungen, auf die sie sich beruft, stammen jedoch aus dem Jahr 1990 und wurden damals von der konservativen Volkspartei (PP) in Koalition mit der regionalistischen Union Mallorca beschlossen – allerdings nie konsequent angewendet. Eine 2003 in Kraft getretene Klausel des Handelsgesetzes verlangt, dass in Läden mit mehr als drei Angestellten, mindestens einer Katalanisch sprechen muss. Nun wird dies von der Regionalregierung tatsächlich eingefordert. Kürzlich teilte die Regierung der Balearen allen Mitarbeitern der Behörden mit, dass der Publikumsverkehr auf Katalanisch zu bewerkstelligen sei. Die Mitarbeiter sollen künftig auch an ihren Computerarbeitsplätzen kein Spanisch mehr anwenden können. Wie das Mallorca Magazin berichtet, wird die gesamte Software umgestellt, ehrenamtlich arbeiten katalanische Initiativen derzeit an Übersetzungen.
Die sprachliche Autonomie ist den Katalanen so wichtig, dass sie auch negative wirtschaftliche Folgen in Kauf zu nehmen scheinen. Das zeigt nicht nur der Affront gegen Air Berlin. Unternehmen, die externe Auftragsarbeiten für die Regionalregierung annehmen, müssen diese auf Katalanisch abliefern, andernfalls bekommen sie den Auftrag nicht. Mehr und mehr kann von einer Diskriminierung spanisch sprechender Mallorquiner die Rede sein.
Der Sprachenstreit in Spanien betrifft nicht nur Katalonien. Auch in den anderen per Verfassung von 1978 als zweisprachig anerkannten Regionen Valencia, Baskenland und Galizien versuchen Nationalisten und Separatisten, das kastilische Spanisch mehr und mehr zurückzudrängen. Dagegen richtet sich ein kürzlich veröffentlichtes Manifest von linksliberalen Künstlern, Schriftstellern und Professoren, darunter Mario Vargas Llosa, Albert Boadella und der renommierte Autor und Philosoph Fernando Savater. Es trägt den Titel: »Manifest zur Verteidigung der gemeinsamen Sprache« und ist nicht etwa ein spanisch-nationalistischer Erguss und auch keine anti-katalanische Stimmungsmache, sondern fordert schlicht die individuelle Entscheidungsfreiheit über die eigene Sprache. Die Regierung solle dafür sorgen, fordern die inzwischen über 120 000 Unterzeichner, dass das Kastilische nicht an den Rand gedrängt wird und dass in allen staatlichen Institutionen auch Spanisch gesprochen werden kann, Straßen und Ortsschilder sollen immer auch auf Spanisch beschriftet sein.

Die Frage ist ohnehin, ob sich die Katalanen mit ihrer Offensive gegen die Zweisprachigkeit selbst einen Gefallen tun. Beherrscht man mit Spanisch eine echte Weltsprache, kann man mit Katalanisch außerhalb Kataloniens überhaupt nichts anfangen. So nachvollziehbar es sein mag, »kleine« Sprachen vor ihrem völligen Verschwinden retten zu wollen, so absurd ist es, Kindern ihre Zukunft zu verbauen, indem man sie mit einer solchen Regionalsprache aufwachsen lässt, mit der sie ihr Leben lang an eine kleine Insel gefesselt sind oder bestenfalls noch in die große Stadt Barcelona auf das Festland fliehen können.
Eventuell kann man mit einer solchen exotischen Begabung, wie Katalanisch zu sprechen, noch eine gute Figur bei schrägen Multikulti-Shows wie der Minderheiten-EM machen, doch selbst das gelang den Katalanen wie eingangs beschrieben bisher nicht. Nachdem die Südtiroler – also Deutschsprachige in Italien – das Turnier in diesem Jahr gewannen, könnten sich vielleicht die Deutschen auf Mallorca überlegen, als sprachliche Minderheit bei der nächsten Fußball-EM 2010 anzutreten. Oder auch gleich die spanisch sprechenden Mallorquiner. Ob es dazu kommt, können wir dann in zwei Jahren eventuell selbst begutachten. Die Sorben in der Lausitz bewerben sich um die Austragung.