Ein Akt der Gnade

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn geht ungefähr so: Ein junger Tunichtgut lässt sich von seinem Vater sein Erbe auszahlen, begibt sich in ein fernes Land und verprasst das Geld. Daraufhin ergeht es ihm schlecht, hungern muss er, so dass er reumütig zum Vater zurückkehrt. Dieser ist aber nicht erzürnt, sondern völlig aus dem Häuschen, denn: »Dieser mein Sohn war tot und lebt wieder. Er war verloren und ist gefunden worden!«
In Teilen der »Linken« hält sich die Freude über die Heimkehrerin Lucy Redler dagegen in Grenzen. Bereits im September hat sie ihren Mitgliedsantrag eingereicht. Zwar hat der Bezirksvorstand in Berlin-Neukölln Einsprüche gegen den Beitritt abgelehnt. Klaus Ernst, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, will aber die Landesschiedskommission bemühen, um Redlers Mitgliedschaft zu verhindern. Nicht nur Ernst ist verärgert. »Ich kenne niemanden im Vorstand, der sich darüber freut«, sagt Ruben Lehnert, der Bezirksvorsitzende in Neukölln. Man hat eben nicht vergessen, dass Redler im Jahr 2006 die Fusion der Wasg mit der Linkspartei heftig bekämpfte und in den Wahlen zum Abgeordnetenhaus gegen die »Linke« antrat.
Doch das Erbe, das diese Lucy Redler vermacht hat, war wirklich kümmerlich, gerade mal 2,9 Prozent erzielte die Frau in den Wahlen 2006. Darben musste sie ebenfalls, ihre Klitzekleinstpartei »Berliner Alternative für Arbeit, Solidarität und Gegenwehr«, die als eines von mehreren Spaltprodukten aus der Berliner Wasg hervorging, blieb vollkommen bedeutungslos.
Und tatsächlich erweicht Redlers erbarmungswürdige Lage Mitglieder der »Linken«. »Nach eineinhalb Jahren sollte man die Größe haben und sagen: Lass es uns zusammen versuchen!« plädierte Brigitte Ostmeyer, die Mitglied in der Steuerungsgruppe für den Parteineubildungsprozess war. Vielleicht kann Lucy Redler also auf einen Akt der Gnade hoffen.