Obama und die Deutschen

Obamagau

Die Bürger der USA haben einen neuen Präsidenten gewählt. Die völkischen Be­obachter tragen ins Notenbuch ein: »Eins plus mit Sternchen, zur Versetzung empfohlen.«

Schon im Juli kannte Ina Hartwig, Literaturredak­teurin der Frankfurter Rundschau, kein Halten mehr: »Um auf Obamas lächelndes Lachen oder lachendes Lächeln zurückzukommen: Es scheint ihn wegzureißen. Das ist nicht das gezähmte oder enthemmte Lachen weißhäutiger Westmen­schen, es ist ein – ja doch – afrikanisches Lachen, temperamentvoll, tänzerisch, voll kindlicher Frische.« Ja, doch. Steht ein schwarzer Politikprofes­sor am Podium und erläutert seine Ansichten zur Außenpolitik, halten sie ihn für einen Sarotti-Mohr.
Jetzt hat Barack Obama die Wahl gewonnen, nicht zuletzt, weil ihm Thomas Gottschalk etwas in die Wahlkasse gesteckt hat. »Dieser Ernst, dieses Unfrohe, das wir bei uns in der Politik vermitteln, ist etwas Tödliches«, erklärt der beliebte Showmaster. »Wer Obama bejubelt und zugleich wichtige Voraussetzungen seines Wahlsiegs – wie einen positiven Bezug zu Konsum und eine große Leistungsbereitschaft – nicht wahrhaben will, der wird demnächst tatsächlich depressiv werden«, pflichtet Dirk Knipphals von der taz bei. Was für ein Feuer, was für eine Begeisterung. Und doch, die deutsche Minstrelshow behält etwas untergründig Preußisches. Man soll leisten, leisten, leisten, dann kaufen, kaufen, kaufen. Aber während Obama ruft: »Yes, we can!«, ruft Knipphals: »positiver Bezug zu Konsum!«, und das klingt doch wieder unfroh und tödlich, jedenfalls regt sich bei mir der Rubel nicht.
Mehr Pfeffer hat wie immer die Bild-Zeitung. Ihr Kommentator Reimer Claussen setzt sich an die Spitze der Bürgerbewegung: »Mit Obama ist in den USA eine Schwelle zu einer neuen Gesellschaft überschritten worden. Der Rassenhass und die Diskriminierung sind damit Geschichte geworden. Wir haben in Berlin einen solchen Schritt getan, als wir einen Schwulen zum Regierenden Bürgermeister gewählt haben. Die Grünen werden mit einem Bundesvorsitzenden türkischer Herkunft eine solche Hürde nehmen.« We shall overcome! Für einen Augenblick vergessen ist der jahrzehntelange heldenhafte Kampf der Springer-Blätter gegen »Multi-Kulti« und »junge kriminelle Ausländer«, gegen »Asylanten auf den Schulhöfen« und den »Afrikaner« vom HSV, der zu viel verdient. Präsidenten und Bürgermeister sind von dieser Behandlung meist ausgenommen, wenn auch die BZ nicht zu erwähnen vergaß, dass Wowereit sich auf »Pobereit« reimt.
Und außerdem, macht die inzwischen unersetzliche Bettina Röhl in Welt online eine wichtige rassenpolitische Ergänzung, ist Obama gar nicht schwarz. Nicht ganz, jedenfalls. Der »weiß-schwar­ze Obama« werde »artifiziell schwarz gemacht«, immerhin ist seine Mutter eine Weiße aus Wichita. Röhl beruft sich auf den ebenso unersetzlichen Deutschlandfunk, der Barack Obama den 44. weißen und ersten schwarzen Präsidenten der USA genannt habe. »Ein bisschen Spaß muss sein« (Roberto Blanco), aber nur Genauigkeit führt zum Ziel. So kann sich der deutsche Außen­minister und designierte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ganz selbstsicher zurücklehnen: »Ginge Obama gegen einen deutschen Kandidaten ins Rennen, hätte er schlechtere Chancen. Die Deutschen betrachten Politik sehr viel kühler, erwarten weniger als Show.« Obama gegen Steinmeier: null zu eins. In Amerika darf ein Präsident afrikanisch lachen, tanzen und kindlich sein. Nicht bei uns! Verwirrend nur, dass man den Eindruck nicht los wird, der Obama der Deutschen käme ohnehin aus dem Obama­gau.