IG-Metall und die Krise

Kampflos glücklich

Kaum ist die Krise da, hat die IG Metall schon zu ihrer Rolle gefunden: Als Ordnungsmacht schwört sie ihre Mitglieder auf Zurückhaltung ein.

In der Metall-Tarifrunde in diesem Herbst nimmt die Gewerkschaftsführung ihre Verantwortung für den Standort Deutschland wahr und lebt die Tugend der Flexibilität vor. So wird das Bemühen der Wirtschaft, möglichst viel Schaden in der Finanzkrise von sich abzuwenden, von deutschen Gewerkschaften tatkräftig unterstützt. Angesichts der Bedrohung der realwirtschaftlichen Tarifpartner konnte der IG-Metall-Vorsitzende Bert­hold Huber am 12. November ein »ordentliches Ergebnis in historisch schwieriger Lage« verkünden.
In dieser Lage werden offenkundig die Lohnabhängigen leiden. Die bescheidenen 4,2 Prozent Lohnerhöhung werden erst nach frühestens vier Monaten und in zwei Staffelungen erreicht. Frühestens, denn die »zweite Anhebung kann durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung bis zu sieben Monate verschoben werden«.
Vor den Verhandlungen verkündete Martin Kanne­giesser, der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall: »Es geht nicht um hohe Löhne, es geht nicht um niedrige Löhne, es geht um der Situation angemessene Löhne.« Angemessen ist so aber tatsächlich nur, was den stets vorhandenen Gewinninteressen der Unternehmen nicht entgegensteht, deswegen können Löhne nie niedrig genug ausfallen. Mit einer Laufzeit von 18 Monaten haben die Arbeitgeber dieses Mal besonders viel Zeit, um von der Arbeit der Beschäf­tigten zu profitieren.
»Planungssicherheit« und gesteigerte Kaufkraft sollen für den Abschluss sprechen. Mit beiden Argumenten betonen die Gewerkschaftsfunktionäre den Dienstcharakter des Lohnarbeiter­lebens, unabhängig von allen Krisen und Aufschwüngen. Aber nicht gegen diese Abhängigkeit, sondern mit ihr werben sie für ihre Politik. Folgerichtig passen sie ihre Forderungen nun an den Krisenticker der Wirtschaft an: Wer das Gewinninteresse anerkennt, darf auch und gerade in der Krise den Profit nicht unmöglich machen.
»Es ist uns gelungen, einen Arbeitskampf in letzter Sekunde abzuwehren«, zeigte Jörg Hofmann, der Leiter des IG-Metall-Bezirks Baden-Württemberg, Mitte voriger Woche erleichtert darüber, dass der gefürchtete soziale Unfrieden ausbleibt. Bereits dieser Stellungnahme im Geiste des vorauseilenden Gehorsams lässt sich entnehmen, dass ein Ende der Bescheidenheit noch lange nicht in Sicht ist. Nicht die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Wirtschaft haben die IG Metall zu diesem bescheidenen Ergebnis gezwungen, sondern der eigene Realismus und die selbst auferlegte Ohnmacht.
Einmal mehr zeigt sich, worum eine mitgliederstarke Gewerkschaft in Deutschland kämpft. Alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel bietet sie auf, um sich als verantwortungsvolle Dienerin am Allgemeinwohl zu empfehlen. Dafür braucht und benutzt sie ihre Basis und setzt in laufenden Verhandlungsrunden auf »die Wut der Leute«. Deren anschließende Unzufriedenheit behandeln sich um Verständnis bemühende Tarifkommis­sionsmitglieder wie einen agitatorisch zu betreu­enden Kollateralschaden.
Dass mehr diesmal leider nicht drin war, das werden murrende Werktätige schon wieder und immer noch verstehen. Doch sie täten gut daran, sich diese Vereinnahmung durch die Interessenvertretung nicht bieten zu lassen. Diese will nämlich vor allem ihrer Rolle als Ordnungsfaktor gerecht werden. Das ist der Gewerkschaft mit dem Abschluss der diesjährigen Metall-Tarifrunde einmal mehr gelungen.