Kühne Traditionspflege

In den dreißiger Jahren kreuzten fröhliche Nationalsozialisten auf Schiffen des Norddeutschen Lloyd die Meere, um »Kraft durch Freude« zu gewinnen. Die Hapag entließ damals ihr »nichtarisches« Personal und kam zu dem Schluss, es sei unpassend, ein Schiff nach Albert Ballin zu benennen, der das Unternehmen zwar zur größten Schifffahrtslinie der Welt gemacht hatte, aber Jude war. Doch nun wäre das traditionsreiche, seit 1970 vereinigte deutsche Unternehmen Hapag-Lloyd fast ausländischen Heuschrecken anheimgefallen. Wäre da nicht Klaus-Michael Kühne, Hamburger Spediteur, Milliardär und Patriot. »Wir wollen uns möglichst reinrassig deutsch halten«, begründete Kühne in der vergangenen Woche bei einer Podiumsdiskussion seine Entscheidung, als Führer einer Hamburger Investorengruppe bei Hapag-Lloyd einzusteigen, bevor die dänische Reederei Maersk es tut. »Herr Kühne wollte niemanden mit seiner Wortwahl verletzen«, sagte anschließend seine Sprecherin. Er habe die Staatszugehörigkeit gemeint, entsprechend dem Motto der Veranstaltung der Deutschen Nationalstiftung: »Wie national soll die Wirtschaft in Deutschland sein?« Bei der Süddeutschen Zeitung weiß man, dass der Führer die Dänen zu den »germanischen Brüdervölkern« zählte. Also, was ist schon dabei? »An Rasse, Rassebewusstsein, Rassestolz, an Arisches, Nordisches dachte gewiss keiner, schon gar nicht in der Distanz zu einer dänischen Gesellschaft.«
Es gehört zur Tradition der Hamburger Bourgeoisie, großen Wert auf Diskretion zu legen. Auch die Deutsche Nationalstiftung, die in Hamburg residiert und zu deren Gründern Helmut Schmidt gehört, arbeitet diskret. Aber manchmal verplappert sich doch jemand und gibt so einen Einblick, was die Herren in den Villen und Handelskontoren wirklich denken.   js