das Urteil im »Diaz-Prozess« in Genua

Schwamm drüber

Der Prozess gegen die Polizisten, die 2001 während des G8-Gipfels in Genua die Schlafenden in der Diaz-Schule überfielen, ging zu Ende. Nur die kleinen Fische unter ihnen wurden der Justiz geopfert.

Über 300 Leute waren im Saal anwesend. Anwälte, Kläger, Unterstützer und Zuschauer. Alle waren mit niedrigen Erwartungen gekommen, trotz­dem empfanden sie die Urteilsverkündung am vergangenen Donnerstag als Provokation, die von schallenden Sprechchören beglei­tet wurde: »Vergogna, vergogna« (Schande, Schande).
Gerichtsprozesse gegen die Polizei sind kein er­folgversprechendes Unterfangen, schon gar nicht in Italien, wo man in den vergangenen 40 Jahren viele ungelöster Prozesse gegen Staatsbeamte gesehen hat. Das wussten auch die Anwälte und Kläger im nun beendeten Verfahren gegen 29 Polizisten, denen vorgeworfen wird, für den Über­fall auf eine Übernachtungsstätte von Demonstranten während des G8-Gipfels in Genua im Jahr 2001 verantwortlich zu sein.
Das Gericht musste lange beraten. Für den frühen Nachmittag hatte der Vorsitzende Gabrio Barone das Urteil angekündigt, doch erst am spä­ten Abend war es so weit. Nur 13 Angeklagte – fast ausnahmslos Beamte niederer Dienstränge – wurden für schuldig befunden, gegen sie wurden Freiheitsstrafen zwischen einem und vier Jahren verhängt. Die hochrangigen Beamten gingen hin­gegen straffrei aus.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, 93 schlafende Demonstranten überfallen und festgenom­men und dabei 63 von ihnen krankenhausreif geprügelt zu haben. Die Polizei begründete die Razzia damit, in der Diaz-Schule hätten sich »gewaltbereite« Angehörige des Schwarzen Blocks befunden. Die Beweise für diese »Gewaltbereitschaft« schmuggelten die Beamten gleich selbst in die Schule – etwa in Form von Molotowcocktails.

In ihrem Schlussplädoyer forderten die Anwälte der Opfer insgesamt 110 Jahre Haft, unter anderem wegen Amtsmissbrauch, unterlassener Hilfeleistung, illegaler Verhaftung und Beweismittelfälschung. Herausgekommen sind nach dreieinhalb Jahren Prozess insgesamt lediglich 36 Jahre Haft für einige kleine Fische, die nun symbolisch geopfert wurden.
»Für die Verurteilten besteht auch keine reale Gefahr, hinter Gitter zu kommen«, sagte der Anwalt Emanuele Tambuscio, der mehrerer Opfer vertritt, der Jungle World. »Schon im Februar sind einige der Straftaten verjährt«, führte er weiter aus, »zudem schützt der vor zwei Jahren in Kraft getretene generelle Straferlass die Verurteilten vor jeder Strafe.«
Einen kleinen Erfolg erzielte die Anklage dadurch, dass den Opfern teilweise beträchtliche Ent­schädigungssummen zwischen 2 500 und 50 000 Euro zugesprochen wurden.
Doch der wahre Skandal nach sieben Jahren bleibt nach Ansicht vieler Beobachter, dass die Na­men der Schläger von der Polizei bis heute nicht bekannt gegeben wurden. Mit dem Urteil habe nun auch das Gericht gezeigt, dass es sich weder der Wahrheit verpflichtet sehe, noch über moralische Integrität verfüge.
Um auf die Urteilsverkündung aufmerksam zu machen, hatten Demonstranten in der Innenstadt von Genua vermummte Papp-Polizisten in Kampf­pose aufgestellt – eben solche, wie sie nicht vor Gericht zu sehen waren.
Vor diesem Hintergrund können die Erwartungen an den Ende des Monats beginnenden Prozess gegen die ehemalige Nummer eins der italienischen Polizei, Gianfranco De Gennaro, wegen Anstiftung zur Falschaussage im Diaz-Prozess nicht allzu groß sein.