Was schmeckt am besten zu Rotkohl? Schweinerollbraten.

Tierischer Geschmack: Schweinerollbraten

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Solide, delikat und preiswert: Schweinerollbraten – dazu schmeckt Rotkohl.

Ich ziehe der Ideologie den Geschmack vor. Nicht, dass ich mir keine Gedanken machte, woher mei­ne Nahrung käme, aber aus dem Paradies, wo der Genuss eines Apfels zur Erkenntnis reichte, sind wir längst vertrieben und müssen uns nun selber helfen. Mit einem Selle d’agneau beispielsweise, dazu ein Kartoffel-Trüffel-Gratin (eine Scheibe Kartoffel, eine Scheibe Trüffel usw.). Das ist natürlich pure Angeberei, denn dazu müsste man in eine andere Einkommensklasse aufsteigen. Also keine Haute Cuisine, ein wenig solider, nicht Horkheimer/Adorno, eher Ebermann/Trampert. Ein Schweinerollbraten. Sein Vorteil gegenüber anderem Fleisch ist, dass die Kosten mit Thilo Sar­razins Hartz-IV-Budget kompatibel sind und ganze WGs oder die Redaktionen linker Wochenzeitungen satt machen können.

Der Rollbraten besteht meist aus kleineren Fleischstücken aus Schulter oder Rücken, die für sich allein keinen ordentlichen Braten abgäben. Sie werden vom Metzger in einem Netz zusammengerollt, so dass sie nicht auseinanderfallen. Das Fleisch wird mit kaltem Wasser abgespült und trocken getupft. Mit dem Messer schneide ich Taschen in den Braten, in die Knoblauchzehen kommen. Mehr ist besser, denn Knoblauch verliert während des Bratvorganges seine Schärfe. Anschließend wird das Fleisch mit reichlich Senf, am besten Dijon, Salz und Pfeffer eingerieben und etwa zwei Stunden in Ruhe gelassen.

Auch ich habe eine Zeit lang weitgehend vegetarisch gelebt. Das aber beruhte am wenigsten auf ethischen Motiven. Es war reiner Opportunismus, um mich einer Liebe zu versichern. Spontaneismus und nichtvegetarische Seitensprünge aber werden bestraft. Aus der Liebe wurde nichts, und mit der Ernüchterung kehrte das Tier an den Tisch zurück.

Das marinierte Fleisch sollte in Butterschmalz – Olivenöl oder Schweineschmalz gehen auch – von allen Seiten zwei bis drei Minuten kräftig angebraten werden. Das schließt die Poren und bewahrt das Fleisch vor dem Austrocknen. Dann kommt es zusammen mit vier, fünf Mohrrüben, ebenso vielen ganzen Zwiebeln, einem Sträußchen Thymian und zwei Blättern Lorbeer in einen Bräter, wird mit Gemüsebrühe übergossen und bei etwa 180 bis 200 Grad in den vorgeheizten Ofen geschoben. Für die Garzeit rechne ich pro Kilogramm eine gute Stunde. Alle zwanzig Minuten braucht das Fleisch würziges Bier, und es mag auch hin und wieder gewendet werden. Nach der Hälfte der Zeit decke ich den Bräter mit Alufolie ab, damit das Gemüse nicht verbrennt. Die Folie wird erst dreißig Minuten vor Ende der Garzeit wieder entfernt.

Veganes Essen finde ich, Entschuldigung, ein wenig trostlos. Ovo-Lacto-Vegetariern, Lacto-Vegetariern, Ovo-Vegetariern oder gar Frutariern kann ich gar nicht mehr folgen. Ihre Gründe sind sicher ehrenwert, aber je rechthaberischer sie werden, desto lebensfremder sind sie auch. Das verbindet sie mit der politischen Linken. Wer Fleisch und Fisch entsagen möchte, bedarf keiner speziellen Ethik, sondern sollte es einfach tun – ohne Katechismus, Hymne und Fahne. Er verzichtet allerdings auch auf tierische Proteine, die den Re­formköstlern in den einschlägigen Internetforen mitunter zu fehlen scheinen. Schlimmer noch, er verzichtet auf den goût. Es ist leichter, einem Stück Schweinefleisch Geschmack beizubringen als dem zähen Soja-Quark, zu dessen Eigenschaften gehört, auch einer brutalen Marinade zu widerstehen.

Das Fleisch sollte man etwa zehn bis zwanzig Minuten ruhen lassen, damit sich der Bratensaft wieder verteilt. Die Zeit nutze ich, das Gemüse beiseite zu legen, den Bratenfond durch ein Sieb zu gießen, um ihn dann mit etwas frischem Dill und zwei Bechern Sahne einzukochen und mit einer geriebenen Kartoffel anzudicken. Das Karotten-Zwiebel-Gemüse gebe ich wieder zum Fleisch. Zuletzt wird das Netz vorsichtig aufgetrennt und der Rollbraten in nicht zu dicke Scheiben geschnitten. Dazu schmecken Rotkohl und andere Kohlsorten, aber auch mitgegarter Fenchel, Kartoffelpüree, Salzkartoffeln, Gratin oder Klöße.

Friedrich Engels hat um 1876 in »Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen« die »Herren Vegetarianer« daran erinnert, dass »der Mensch (…) nicht ohne Fleischnahrung zustande gekommen« sei. Leider ist es bisher weder gelungen, das Reich der Freiheit zu errichten, noch, um den besten Beitrag dieser Disko zu zitieren, auch im Essen »eine Alternative zu finden, die dem menschlichen Appetit gerecht wird, Tierhaltung jedoch verzichtbar macht«. Und so lange mag ich auf Geschmack nicht warten und werde hin und wieder Fleisch oder Fisch zubereiten – schon, weil mein Freund Florian den Schweinerollbraten mag.

Der Autor ist – unter anderem – der unbestrittene Lieblingskoch der »Jungle-World«-Redaktion.