Rebell ohne Tadel

Sich einen Eintrag ins Klassenbuch zu verdienen, der als »Rüge« bezeichnet wurde, galt in der Schulzeit geradezu als Ehre. Schließlich hatte man sich so etwas Unerhörtes getraut wie das Klassenarbeitsheft zu vergessen oder sich in der Pause im Klassenraum zu verstecken. Die Lehrer galten noch als so etwas wie Autoritäten und eine Rüge dementsprechend als Zeichen der Rebellion.
Über die Rüge einer »Unterbezirksschiedskommission« hätte man sich dagegen möglicherweise auch im zarten Jugendalter empört. Soll sich ein ehemaliger »Superminister« von so etwas schelten lassen wie ein Schulbub, nur weil er Andrea Ypsilantis energiepolitische Pläne kritisierte? Nein, das geht gar nicht. Kaum war die Botschaft verkündet, dass Wolfgang Clement zwar Mitglied der SPD bleiben dürfe, die Bundesschiedskommission aber die Rüge der Unterbezirksschiedskommission bekräftige, setzte der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit seine Austrittserklärung auf.
Wolfgang Clement kann man sich wunderbar in einer Reihe mit Dagmar Metzger, Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts vorstellen – mit jenen ehrbaren hessischen Rebellen, die keinen Wortbruch kennen und das kleine Bundesland davor schützten, in eine deindustrialisierte, von der Stasi überwachte und von einer Mauer umgebene Zone mit ein paar armseligen Windrädern verwandelt zu werden – mit einem kleinen, aber feinen Gulag im Vogelsberg für ihresgleichen. Denn neben der Rüge nannte Clement als Austrittsgründe »zweitens die Tatsache, dass die SPD-Parteiführung zugleich keinen klaren Trennungsstrich zur PDS/Linken zieht, sondern sogar – in den Ländern – zu einer Zusammenarbeit mit dieser Partei ermuntert, obgleich deren Stasi-Verstrickung offenkundig ist, und drittens eine Wirtschaftspolitik treiben lässt, die (…) auf eine De-Industrialisierung unseres Landes hinausläuft«.