Wahn, Winter, Wald

Puh. Am Ende von »Winterwald«, dem jüngsten Roman des irischen Schriftstellers Patrick McCabe, traut man nicht mal mehr sich selbst. Hat man etwas überlesen? Entscheidendes nicht verstanden? Muss man da noch mal durch? Bitte nicht: Dazu war die Lektüre zu beklemmend, eklig fast. Zum Schluss mag man auch Redmond Hatchs Suada unangenehm süßlich eingefärbter Erinnerungen nicht mehr hören. Erinnerungsgebilde, die der Ich-Erzähler offensichtlich nur um den Preis krankhafter Verdrängung so hysterisch munter wie redundant in die Welt posaunen kann.
»Winterwald« ist angesiedelt im städtischen Irland, wo Redmond angeblich »so wahnsinnig glücklich ist« mit seiner ersten und zweiten Ehefrau und seinem heißgeliebten Töchterchen. Angesiedelt ist McCabes Geschichte in den irischen Bergen, der »Heimat der Inzuchtprodukte«, wo Redmond auf den alten Ned trifft, der Geschichten von Redmonds Familie und vom ach so tollen alten Irland auftischt. »Ned vom Berg«, der im Laufe des Geschehens zunehmend undurchsichtigere, gefährlichere Züge annimmt. Es geht um Missbrauch, Mord und böse Geister, die Redmond nicht loswird – genau wie seine Vergangenheit. Und ein wenig so wie der Erzähler leidet wohl auch das moderne Irland an den Symptomen seiner Aufspaltung in eine traditionsvernarrte ländliche und eine städtische Welt, in der ökonomischer Wohlstand vor allem deshalb zu haben ist, weil die Traditionen hier keine Rolle mehr spielen.

Patrick McCabe: Winterwald. Berlin-Verlag, Berlin 2008, 224 Seiten, 19,90 Euro