Ein Nachruf auf Samuel Huntington

Uncle Sam’s dead

Mit Samuel Huntington verstarb der letzte klassisch-amerikanische Ideologe der ­bipolaren Welt und des Weltbürgerkriegs.

Klassisch war seine Politologie, weil sie Elemente der politischen Theorien Lenins und Carl Schmitts assimilieren konnte, ohne je von der Idee der amerikanischen Demokratie abzulassen. Spezifisch amerikanisch blieb an Huntington aber, dass er die amerikanische Unabhängigkeitserklärung nicht aus irgendeiner Variante des Naturrechts organologisch ableitete, sondern als eine ideelle Schöpfung protestantischer Flüchtlinge aus Europa betrachtete. Und es gehörte von Anfang an zu den Grundsätzen dieses geistigen Schöpfungsaktes, dass auf amerikanischem Boden stets das Recht auf Eigentum und materiellen Reichtum gegen das Aufbegehren der Armen, Besitzlosen geschützt werden muss. Universitäten wie Harvard, wo Huntington seit 1950 Politikwissenschaft lehrte, sind dazu da, die juristischen, politischen und ökonomischen Eliten hervorzubringen, die dem Establishment ihr Recht auf Besitz, Reichtum und Rechtsprechung sichern. Huntington hatte sich früh für die Demokratische Partei entschieden und es unter Lyndon Johnson und Jimmy Carter zum Präsidentenberater gebracht. Auch deshalb nahm er es mit Bitterkeit zur Kenntnis, dass seine berühmteste Formel vom »Clash of Civilizations« ausgerechnet unter dem Republikaner George W. Bush zur Totschlagparole wurde.
Ganz unschuldig war Huntington daran allerdings nicht, enthielt sein Essay doch die Feststellung, dass »der Westen die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Ideen oder Werte oder Religion dominiert, sondern durch überlegene organisierte Gewaltanwendung«. Eine Formulierung, die man fast wörtlich bei Lenin finden kann, dort nur um den Zusatz erweitert, dass die Arbeiterklasse sich daran zu orientieren habe und nur durch Überbietung dieser Disziplin und Ordnung siegreich sein könne. Dem Anti-Leninisten Huntington war die Position Lenins immer gegenwärtig und sie hat auch sein ambivalentes Verhältnis zur Demokratie geprägt. Sein erstes Buch »Soldat und Staatsmacht« (1957) ist denn auch in seinen den Ethos der Offiziere betreffenden Passagen reiner Carl Schmitt: Ordnung stellt man über Befehle her, nicht über Abstimmungen. Und Ordnung war für Huntington das erste friedenschaffende gesellschaftliche Prinzip, nicht eine gerechte Verteilung der Güter und deren ökonomische Organisation. Am Ende ist Huntingtons Ordnungstheorie dann auch logisch an ihrer ökonomischen Blindheit gescheitert.