Deutsche Wirtschaftsmedien in der Krise

Capital und Arbeit

Gruner und Jahr will die Redaktionen seiner verschiedenen Wirtschaftsmedien zusammenlegen. Verbunden ist dies mit einem umfangreichen Stellenabbau und mit Protesten der Wirtschaftsjournalisten.
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Als plötzlich, es war wohl so im September im vergangenen Jahr, die Finanzkrise entdeckt wurde, da interessierten sich plötzlich Leute für Wirtschaft, mit denen man sich bis dahin noch ganz vernünftig über Fußball, Feminismus oder Israel unterhalten konnte. Alle Welt schien auf einmal statt der Simpsons lieber die Börsensendungen bei N-TV zu schauen, auf allen Nachrichtenportalen wurde man fortan mit einem »Krisen-Ticker« belästigt, und ich verbürge mich dafür, dass selbst in Berliner Antifakreisen Anlagetipps (»Staatsanleihen!«) verhandelt wurden.
Eigentlich sollte man denken, dass zumindest die Wirtschaftsmedien Gewinner der Finanz- und Wirtschaftskrise seien. Doch auch die befinden sich offenbar in der Baisse. Die Redakteure der Wirtschaftszeitschrift Capital traten am Montag sogar in einen kleinen Bummelstreik und demonstrierten gegen die Abwicklung ihrer Redaktion. Der Hintergrund des kleinen Aufstands ist der bereits im November veröffentlichte Plan von Gruner und Jahr (G + J), die Wirtschaftsredaktionen von Capital, Impulse, Börse online und der Financial Times Deutschland (FTD) zu einer Zentralredaktion zusammenzulegen. Dies hat nicht nur publizistische Folgen. Die neue, 250 Mitarbeiter zählende Zentralredaktion soll in Hamburg, am Hauptsitz des Konzerns, entstehen. Dort befindet sich bislang jedoch nur die – seit Jahren defizitäre – FTD. Börse online hat ihren Sitz in München, und die Redaktionen von Capital und Impulse befinden sich in Köln. Und, wie jeder weiß, bei Umzügen geht ja immer etwas verloren. Bei Umzügen von Unternehmen sind das in der Regel Arbeitsplätze. Allen Mitarbeitern in Köln und München wurde gekündigt, sie »durften« sich für den neuen »Business Newsdesk« in Hamburg bewerben, doch insgesamt 60 Stellen sollen bei diesem Vorgang eingespart werden.
»Wir wissen als Wirtschaftsjournalisten sehr wohl, dass in ökonomischen Krisenlagen unternehmerische Entscheidungen erforderlich sind, die auch die Mitarbeiter hart treffen«, schrieben die Betriebsräte an die Bertelsmann AG, die 74,9 Prozent an G + J hält. Die aktuelle Entscheidung des Konzerns hält der Betriebsrat allerdings, anders als der Vorstand, der selbstverständlich von einer »alternativlosen Weichenstellung« spricht, für »Dilettantismus« und ein »Himmelfahrtskommando«. Besonders verärgert sind die Redakteure jedoch über den miesen Sozialplan. Es geht wohl um Abfindungen von 0,9 Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Die Verhandlungen laufen seit Wochen ohne Fortschritte. »Das Unternehmen versucht offenbar, die von der Entlassung betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu Dumping-Konditionen loszuwerden«, kritisierte der Deutsche Journalisten-Verband. »Wenn schon entsorgt, dann fair!« war daher auch auf einem der Plakate zu lesen, mit denen die Capital-Belegschaft während der Sozialplanverhandlungen in Köln am Montag demonstrierte.
Das Ganze ist nicht nur für die betroffenen Journalisten eine schlimme Situation. Es zeigt auch das Ausmaß der Wirtschaftskrise: Wenn nicht einmal Wirtschaftsanalysten in diesen Tagen davon profitieren, wer dann?