Serie über Serien: »Daktari«

Mein Leben in Khaki

Serie über Serien. Heike Karen Runge liebte »Daktari« und träumte von einer Zukunft im Dschungel

Das Problem mit »Daktari« war, dass die Serie am frühen Samstagabend lief, und zwar zu der Zeit, als Väter gewöhnlich mit dem Autowaschen fertig waren und es sich mit einem Fläschchen Bier zum Fußballgucken vor dem Fernseher bequem machten. Fernsehgucken in der Kindheit, das hieß immer auch Kampf gegen mäch­tige Institutionen wie zum Beispiel die Eltern oder die Bundesliga. Im Fall von »Daktari« konnte nach längeren Diskussionen ein Kompromiss gefunden werden, wonach an dem ­einen Samstag mei­ne Schwester und ich zum »Daktari«-Gucken eine Etage höher zu Könighoffs gehen mussten und am nächsten Wochenende dann mein Vater nach oben ausquartiert wurde. Nach allem, was ich heute über Männer-und-Fußball weiß, würde ich sagen, wow, mehr war in der Sache ja nun auch wirklich nicht zu erreichen.
Die großen Kämpfe auf Leben und Tod waren es auch, die uns an »Daktari« derart fesselten, auch wenn es genau genommen nur darum ging, dass sich irgendwo im Dschun­gel eine traurige Löwenmutter die Pfote verstaucht hatte und Schimpansin Judy Hilfe ho­len musste. Die Rettungsaktion dauerte dann eine geschlagene Stunde voller Drama­tik, die uns schier den Atem raubte, und am Ende hatte Dak­tari die Löwenpfote verbunden, Judy durfte zur Belohnung auf den Arm von Tierarzttochter Paula klettern, und alle gruppierten sich zum glück­lichen Schlussbild vor der Tierklinik ­Wameru. Natürlich waren Daktari und Wameru im Vergleich zu Begriffen aus unserem Nah­bereich wie »Wattenscheid« oder »Doktor« ganz wundervolle Worte, die exotischste Abenteuer verhießen und, wie man dann später erfuhr, aus dem Suaheli kamen.
Mal wie Paula zu werden und große Teile seines Lebens in Khakihosen, durch die Steppen Afrikas im offenen Jeep fahrend, an der Seite eines Dr. Marsh Tracy zu verbringen, war zu der Zeit der adäquate Zukunftsplan. Es wäre immer warm, man würde Elefanten und Tigern das Leben retten, und vor allem hätte man ständig dieses Funkgerät zur Hand, mit dem man wichtige Infos durch den Dschungel schicken würde. Das Leben wäre eine einzige Safari!
Neben Paula und ihrem Daktari-Vater gab es auch noch den englischen Wildhüter Hedley, der aber nicht so richtig dazugehörte und bei uns ähnlich geringe Sympathiewerte erzielen konnte wie der alleinstehende Onkel, der sich uns am Wochenende gern aufdrängte. Aus Sicht kleiner Mädchen sehr viel interessanter erschienen dann schon die beiden Tierarzt­assistenten Jack und Mike. Der immer lockere Jack war ein Assistent von der Sorte, wie man ihn sich als großen Bruder oder Sportlehrer wünschte, und es war absolut nachvollziehbar, dass die wunderbare Paula mit ihm zusammen war. Dann gab es allerdings auch noch den jungen schwarzen Tierarztassistenten Mike, der sich dezent im Hintergrund hielt, aber durch Zuverlässigkeit, Tapferkeit und durch sehr ­gutes Aussehen auffiel und rückblickend betrachtet die sehr viel interessantere Option darstellte. Dass sich ein richtig netter Schwarzer am Wochenende ins Vorabendprogramm und damit in unser und Könighoffs Wohnzimmer mischte, war in einer Zeit, in der einem die Klassenlehrerin schon mal zu erklären versuchte, dass »Mischehen« für die daraus resultierenden Kinder ganz schlimm seien, vielleicht auch nicht das Schlechteste.
Allerdings wurde »Daktari«, auch wenn man es heute nicht mehr wahrhaben will, von Kindern Anfang der Siebziger vor allem wegen der lustigen Tiere geliebt, dem schielenden und auch sonst schon reichlich altersschwachen Löwen Clarence und dem völ­lig vermenschlichten Schimpansenweibchen Judy, das ungefähr so laut und nervig fiepte wie unser Wellensittich, den wir aus Lärmschutzgründen regelmäßig in der Abstellkammer unterbringen mussten.
Tierliebende Kinder, wie wir welche waren, schreiben inzwischen Hunderte Internetforen mit ihren »Daktari«-Erinnerungen voll und fragen andere »Daktari«-Kundige verzweifelt nach irgendwelchen Details aus – wie hieß denn bloß der skrupellose Revolutionär, der in einer Folge Paula, Marsh und Judy in einer Höhle gefangen hielt und als Verpflegung für seine Soldaten Daktaris Tiere einplante? Offenbar gab es damals dann doch gar nicht so wenige Kinder, die sich gegen ihren Fußball ­liebenden Vater durch- und vor den Fernseher zum »Daktari«-Gucken setzen konnten. Und, Leute, die Antwort ist: Dr. Akubar.