Die Insel brennt

Erst versuchten sie, die Tore des Abschiebezentrums aufzubrechen, dann zündeten sie an, was sie finden konnten, hauptsächlich Müll und ein paar Matratzen. Wieder einmal explodierte vergangene Woche die Wut der Mi­granten und Flüchtlinge auf Lampedusa. Die Bilanz des vorläufig letzten Aufstands auf der süditalie­nischen Insel sind Dutzende Verletzte und die vollständige Zerstörung des Hauptgebäudes des Abschiebezentrums. Niemandem gelang die Flucht. Aus Lampedusa wegzukommen ist nicht einfach.
Die Proteste hatten begonnen, als 300 Tunesier in den Hungerstreik getreten waren, um gegen ihre geplante Abschiebung zu protestieren. Dann eskalierte die ohnehin gespannte Lage. Seit Januar kommt es auf der kleinen italienischen Insel regelmäßig zu Protesten. Anfang des Jahres entstand hier neben dem Auffangzentrum – in dem Flüchtlinge in der Regel nur wenige Tage verbringen (sollen) und dann auf Sizilien ausgeflogen werden – ein Identifizierungs- und Abschiebezentrum. Von hier aus sollen die Menschen, die nach Lampedusa ankommen, direkt in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden und gar keine Möglichkeit haben, das Festland zu erreichen. Ein pragmatischer Ansatz, um das Flüchtlingsproblem zu lösen, fand Innenminister Roberto Maroni von der rechtspopulistischen Lega Nord: Wer das Festland nicht erreichen kann, kann auch nicht untertauchen.
Doch nicht nur die Migranten auf Lampedusa wehren sich gegen diese weitere Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Die Inselbewohner selbst erklären die Flüchtlingspolitik der italie­nischen Regierung für gescheitert und fordern den Rücktritt des Innenministers. Sie wollen ihre Insel wieder mit reichen Tou­risten füllen und fordern ebenfalls »Bewegungsfreiheit« für die Migranten. Wo sie hin sollen, kann man derzeit auf Plakaten vor dem Rathausgebäude der Insel lesen: »In die norditalienischen Gefängnisse, dort gibt es mehr Platz«.   fm