Wahlen im Baskenland

Erst wird verboten, dann gewählt

Am Sonntag wird im Baskenland ein neues Parlament gewählt. Während die linksnationalistische Guerilla Eta auf ihre Weise die Politik mitbestimmen möchte, darf die linke Unabhängigkeitsbewegung erst gar nicht antreten.

Bei den Regionalwahlen im Baskenland am Sonntag gibt es bereits einen Verlierer. Zum ersten Mal seit dem Ende der Franco-Diktatur ist die »izquierda abertzale«, die linksnationalistische Bewegung, komplett von den Wahlen ausgeschlossen.
Umfragen zufolge wird die konservativ-nationalistische PNV des baskischen Ministerpräsidenten Juan José Ibarretxe erneut als Sieger aus der Wahl hervorgehen. Beherrscht wird die politische Debatte wie so oft in Spanien von der Frage der Nation. Ibarretxe betonte, der einzige Punkt im Wahlprogramm der PSE, des baskischen Ablegers der sozialdemokratischen Regierungspartei Psoe, bestehe darin, »den Nationalismus aus der baskischen Regierung zu verdrängen«. Mariano Rajoy, der Vorsitzende der rechtskonservativen Volkspartei PP, warf hingegen den Sozialdemokraten vor, sich zur »Krücke des Nationalismus« zu machen, und schrieb seiner Partei das Verdienst zu, dass diesmal keine Linksnationalisten auf dem Wahlzettel stehen dürfen. Diese Tatsache sorgte auch in Katalonien für Unmut. Joan Puigcercós, Präsident der republikanischen Linken Kataloniens (ERC), erklärte, dass sich die beiden großen Parteien PP und Psoe zwar angesichts der Krise streiten würden, sich aber ohne Probleme zusammentun, »wenn es darum geht, das Baskenland und Katalonien zu ficken«.
Die eigens für die Regionalwahl gegründete Wahlplattform D3M (Demokratie für drei Millionen) sowie die Partei Askatasuna (Freiheit) sind Anfang Februar vom Obersten Gerichtshof von der Wahl ausgeschlossen worden. Das Urteil wurde vom Verfassungsgericht bestätigt, und Untersuchungsrichter Baltasar Garzón legte vergangene Woche nochmal nach. Er verbot beiden Organisationen sämtliche Aktivitäten für die kommenden drei Jahre. Vertreter von D3M hatten zuvor die Anhänger der linken Unabhängigkeitsbewegung aufgefordert, mit den bereits gedruckten Stimmzetteln ungültig zu wählen. Das Bündnis forderte erneut dazu auf, am 1. März als »Akt des massiven zivilen Ungehorsams« für D3M zu stimmen. Bei den vergangenen Wahlen stimmten zwischen 12 und 19 Prozent der Wähler für Parteien und Bündnisse der linken Unabhängigkeitsbewegung.

Seit der Verabschiedung des Parteiengesetzes im Jahr 2002 wurden Hunderte Organisationen und Wählervereinigungen von den Wahlen ausgeschlossen. Die Begründung dafür ist stets die vermeintliche politische Nähe zur Eta, oft wird dabei alleine das Ausbleiben öffentlicher Verurteilungen von Attentaten als »explizite oder stillschweigende politische Unterstützung« im Sin­ne des Gesetzes interpretiert. Die linke baskische Partei Batasuna, die lange Zeit als politischer Arm der Eta galt, wurde auf dieser Grundlage bereits zweimal (2003 und 2006) verboten.
Das Parteiengesetz ist jedoch mittlerweile zum Selbstläufer geworden. Denn anstatt zumindest formell zu versuchen, Verbindungen zur Eta nachzuweisen, dient nun Batasuna selbst als Referenz für die Verbote. Über das Verbot der Batasuna ist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg ein Verfahren anhängig, auch Amnesty international und die Vereinten Nationen (UN) kritisieren das Parteiengesetz. Michael Scheinin, UN-Beobachter für Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus, hält die »vagen und allgemein gehaltenen« Definitionen für geeignet, das Gesetz auf jede Partei anzuwenden, »die mit friedlichen Mitteln ähnliche politische Ziele wie terroristische Gruppen verfolgt«. In einer »wahrhaft demokratischen Gesellschaft« sollte der Parteienausschluss aber die »strikte Ausnahme« sein, erklärte Scheinin Anfang Februar. In der Vorstellung seines Berichts über die Lage der Menschenrechte im baskischen Konflikt geht er auch auf die häufig erhobenen Vorwürfe der unmenschlichen Behandlung von Eta-Häftlingen ein und fordert die Beendigung der Isolationshaft und des Verfahrens, die Häftlinge über ganz Spanien zu verteilen. Zudem äußerte er sich »tief besorgt« über die Folter-Vorwürfe und den Umgang der Behörden damit.
Mit ihrem Vorgehen liefert die spanische Regierung denjenigen Argumente, die der Meinung sind, nur in einem unabhängigen Baskenland seien die demokratischen Rechte gewährleistet. Fast jegliche linke politische Aktivität im Baskenland wird in die Nähe von Eta und Terrorismus gerückt und daraufhin bekämpft. Als Reaktion darauf verbinden sich die demokratische und die nationalistische Bewegung im Widerstand gegen die Repression. Der gleiche Mechanismus hatte bereits während der spanischen Diktaturen zu einer Ausbreitung des Nationalismus geführt. Dadurch wird auch die Etablierung linker Gruppen, die nicht dem Nationalismus verfallen sind, stark erschwert. Ob rechtsstaatliche Standards in einem baskischen Staat eher gewährleistet wären, ist jedoch fraglich. Kritik an den Parteiverboten kommt fast ausschließlich von den betroffenen Linksnationalisten, bei den übrigen politischen Gruppen – die ebenfalls meistens nationalistisch eingestellt sind – ist sie die Ausnahme.

Auch die Eta sorgt nicht gerade für eine Deeskalation des Konflikts. Im Dezember erschoss sie den Unternehmer Ignacio Uría, dessen Firma am umstrittenen Hochgeschwindigkeitszug-Projekt TAV beteiligt ist und der sich geweigert hatte, die »Revolutionssteuer« zu zahlen. Zum Jahresende ex­plodierte vor dem baskischen Fernsehsender EiTB, der wegen seiner Berichterstattung zum »militärischen Ziel« deklariert worden war, eine Autobombe. Der vorläufig letzte Anschlag wurde am 9. Februar verübt: Wenige Stunden nach Bekanntgabe des Wahlausschlusses von D3M und Askatasuna detonierte eine Bombe auf dem Platz der Nationen in Madrid.
Ende Januar gab die Guerilla ein Kommuniqué zu ihrem 50jährigen Bestehen heraus. Darin betonen die bewaffneten Nationalisten, dass es bereits zu Gründungszeiten nicht ihr Ziel gewesen sei, »den Franquismus zu besiegen, sondern das Baskenland zur Freiheit zu führen«. Vor allem auf internationaler Ebene sind aber genau die angeblichen Verdienste der Eta im antifaschistischen Kampf ein wichtiger Grund für eine gewisse Restsympathie in der Linken. Was ohne diesen Aspekt übrig bleibt, ist lediglich die Forderung nach gleichberechtigter Teilnahme des »baskischen Volkes« am globalen Wettbewerb um Macht und Reichtum.
So betont die Eta in ihrem jüngsten Kommuniqué, dass sie kämpft, damit »das Baskenland seinen Platz und seine Stimme in der Welt« habe. Neue Staaten wie Irland, Slowenien, Kroatien, Litauen zeigten, dass dies möglich sei. Auch Joan Puigcercós von der ERC betonte, vor allem »in diesen Zeiten der Wirtschaftskrise« sei zur »Verteidigung der Rechte der Bevölkerung« ein eigener Staat notwendig. Die Antwort der linken Nationalisten auf die Krise des Kapitalismus besteht weiterhin nicht aus einer Gesellschaftskritik, die sich den veränderten Verhältnissen anzupassen versucht, sondern aus dem Rückzug in den behüteten Schoß der Nation.