Wie die Betriebsräte bei Opel und die Leitung der IG Metall sparen helfen

Kürzen wie die Chefs

Wer so sparen kann wie die Betriebsräte bei Opel und die Leitung der IG Metall, braucht beinahe keine Unternehmer mehr.

Ist Opel bald pleite? Nach der Insolvenz von Saab, dem schwedischen Tochterunternehmen von General Motors, wird darüber spekuliert. Tatsächlich scheint das Geld knapp zu sein. Ende voriger Woche gestand Opel ein, dass Bürgschaften im ursprünglich gewünschten Volumen von 1,8 Milliarden Euro nicht mehr ausreichen könnten. Es gebe einen »erhöhten Finanzbedarf«, der auf 3,3 Milliarden Euro veranschlagt wurde. Über Kürzungen im Umfang von 700 Millionen Euro verhandelt der Konzern mit der Belegschaft, so dass 2,6 Milliarden aus anderen Quellen reichen würden.
Das Opel-Management arbeitet zurzeit an einem eigenen Rettungsplan für den Automobilkonzern, der auch eine Voraussetzung für den Erhalt von Staatsbürgschaften ist. Noch diese Woche soll der Aufsichtsrat zusammenkommen, um über den bis dahin wohl vorliegenden Entwurf zu beraten.
Währenddessen hat der Verbund der europäischen Opel-Händler seine Unterstützung angekündigt, und die Bundesregierung denkt nach Informationen der Financial Times Deutschland über die Gewährung eines Schnellkredits nach. Auch die Herauslösung von Opel aus dem GM-Konzern wird als Option gehandelt. Das dürfte aber vor der Pleite des Mutterunternehmens nicht realistisch sein, weil GM wohl kaum einen Großteil seiner bei Opel angesiedelten Forschungsabteilung aufgeben würde. Allerdings hat GM in der vorigen Woche erstmals Bereitschaft signalisiert, »über Partnerschaften und Beteiligungen mit Dritten zu verhandeln«, wie Opel mitteilte.

Bei GM hat indes begonnen, was Opel droht. Der Konzern strich bereits im Januar 1 200 bzw. 800 Stellen in den Werken in Lansing/Michigan und in Lordstown/Ohio. Ein Sprecher bezeichnete die Maßnahmen als weitere Anstrengung von General Motors, »die Produktion mit der Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen«. Im gesamten Konzern sollen 42 000 Stellen abgebaut werden. GM hatte bereits im Dezember 20 Fabriken in Nord­amerika wegen der schwachen Nachfrage nach seinen Fahrzeugen vorübergehend geschlossen. In einigen davon ruht Produktion bis heute.
Die IG Metall hat während des seit Monaten andauernden Konflikts von Anfang an eine Kompromissbereitschaft gezeigt, die daran zweifeln lässt, ob sich die Gewerkschaft als Vertreterin der verbliebenen 25 000 Beschäftigten bei Opel sieht. Bereits im November hatte die Führung der IG Metall Lohnkürzungen zur Rettung des Konzerns nicht ausgeschlossen. Die Belegschaft müsse zu einem »zukunftssicheren neuen Konzept« beitragen, verkündete damals der Bezirksleiter Frankfurt, Armin Schild, im Deutschlandradio Kultur. »Möglicherweise bedeutet das weitere Lohnverluste (…) einer Belegschaft, die wie keine andere in den vergangenen Jahren schon verzichtet hat«, sagte Schild, der als Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat des Autoherstellers angehört.
Inzwischen hat Klaus Franz, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, bereits die Zustimmung der Gewerkschaft zu einer Vier-Tage-Woche in Aussicht gestellt. Eine solche Haltung bringt jedoch erfahrungsgemäß in erster Linie eines mit sich: Die Krise wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

Dass sich die Gewerkschaftsführung und der mehrheitlich von der IG Metall gestellte Betriebs­rat im Co-Management versuchen, hat bereits Tradition. Exemplarisch hierfür steht Opel in Bochum. Bereits 1991 kam der erste »Standortvertrag« für das Werk, der nichts Gutes verhieß. Ihm folgten zwei weitere, inzwischen haben Betriebsrat und Management den zweiten »Zukunftsvertrag« abgeschlossen. Gab es bei Opel Bochum 1991 noch 19 500 Arbeitsplätze, so sind derzeit noch 5 000 Arbeiter dort beschäftigt. Der Weg war gepflastert mit Verzicht, Zugeständnissen und der Vernichtung von Arbeitsplätzen. Die oppositionelle Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« resümierte im Herbst: »Fakt ist: Jeder Verzichtsvertrag seit 1993 hat im Schnitt mehr als 3 500 Arbeitsplätze gekostet. Bei verbleibenden 3 200 Arbeitsplätzen ab 2010 wird der ›dritte Zukunftsvertrag‹ dann wohl der Todesstoß sein.«
Zugleich war Opel Bochum aber auch der Schauplatz eines der größten wilden Streiks in der Geschichte der Bundesrepublik. Sechs Tage lang dauerte im Oktober 2004 eine auf Druck der betrieblichen Basis anberaumte »Informationsveranstaltung« der Vertrauensleute, mit der gegen den bereits damals angekündigten Personalabbau protestiert wurde. IG Metall, Betriebsrat und Werksleitung hatten größte Mühe, mit hohen Abfindungen, Versprechungen und undurchsichtiger Verhandlungsführung den Ausstand zu beenden und die kämpfende Belegschaft zu befrieden.
Der Geist des bedingungslosen Co-Managements durchzieht auch derzeit die Führungsriege der Gewerkschaft, nur dass diesmal Proteste der zu neuerlichen Verzichtsleistungen gedrängten Beschäftigten ausbleiben. Klaus Franz, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, konferiert mit Politikern, Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Investment-Bankern. Dabei versteht er sich offenkundig weniger als Vertreter der Arbeiter, sondern vielmehr als Vertreter deutscher Wirtschaftsinteressen. Für ihn ist die Sache ausgemacht: Ohne GM würde Opel gut dastehen. Er spricht im Zusammenhang mit dem Mutterkonzern von einem »schwarzen Loch«, in dem angeblich das ganze Geld von Opel verschwinde.
Während Franz die Rolle des Einpeitschers gegen »die Amerikaner« übernimmt, kürzen die Betriebsräte in den Werken indirekt schon die Löhne. Sie haben alle Produktionsstopps akzeptiert, und die sind über kurz oder lang mit Lohneinbußen verbunden. Für die IG Metall und den Gesamtbetriebsrat stehen die deutschen Interessen deutlich im Vordergrund. Am Montag forderte Franz Geld von Bund und Ländern. Man sei für »temporäre Einlagen der Länder, der Regierungen in Europa, in Deutschland, in den einzelnen Bundesländern«, um sich »zu einem hohen Maße unabhängig zu machen« von GM, sagte er im Deutschlandfunk.

Die Behauptung allerdings, dass es Opel ohne die Anbindung an GM besser ginge, ist falsch. Bereits seit 1999 schreibt GM in Europa tiefrote Zahlen, über 80 Prozent dieser Verluste gehen auf das Konto der Opel-Werke, die in den vergangenen Jahren aus ihren Absatzschwierigkeiten nicht mehr herausgekommen sind. Der krisenbedingte Rückgang der Verkaufszahlen um über zehn Prozent im vorigen Jahr, der Opel noch härter traf als andere in Deutschland ansässige Autokonzerne, ist lediglich eine Steigerung der seit längerem schon bestehender Probleme.
Mit den kontinuierlich vorgelegten Verlustzahlen und dem in immer weiteren Schritten seit den neunziger Jahren betriebenen Arbeitsplatzabbau zahlen die Arbeiter für den seit einigen Jahren verschärften Konkurrenzkampf der Automobilkonzerne auf dem Weltmarkt. Die Illusion der Gewerkschaft, mit den Interessen der deutschen Autoindustrie würden auch die Interessen der Beschäftigten gesichert, hat sich dabei stets als selbstmörderisch entpuppt. Ein Umdenken der IG Metall jedoch ist derzeit nicht zu erkennen.