Hommage an die Barbiepuppe

Spiel nicht mit den Babypuppen

Sie ist so alt wie Madonna. Die Barbiepuppe feiert in ­diesem Jahr ihren 50. Geburts­tag.

Das oberflächliche, nur an materiellen Dingen interessierte Blondchen, als das sie so gern dargestellt wurde, ist Barbie nie gewesen. Nicht umsonst wurde Barbie von einer Frau mit viel Gespür für die Bedürfnisse kleiner Mädchen erfunden. Ruth Handler, eine amerikanische Jüdin, deren Vater im Jahr 1907 in die USA eingewandert war, stellte eines Tages fest, dass ihre Tochter, wenn sie mit ihren Anziehpuppen spielte, keineswegs so tat, als seien diese wie sie noch Kinder. Die Papierpuppen bekamen von ihr Erwachsenenrollen zugewiesen, und das brachte Handler auf eine Idee.
Gemeinsam mit ihrem Mann und einem Freund der Familie hatte sie 1944 die Firma Mattel gegründet, die sich zunächst auf die Produktion von Möbeln und Dekorationsgegenständen aus dem damals noch neuen Kunststoff Plexiglas spezialisiert hatte.
1959 stellte Mattel die erste Puppe vor, eine deutlich erwachsene Frau mit Brüsten, Taille und schicker Garderobe, benannt wurde sie nach Handlers Tochter Barbie. Fortan ließ sich ein Mädchenleben in zwei Phasen einteilen: in die »Iiiih, die spielt ja noch mit Babypuppen«-Zeit, der irgendwann die »Spielst du auch schon mit Barbie?«-Ära folgte.
Wobei diese Barbie-Phase eben nicht nur aus reinem Spielspaß bestand, denn nicht jeder kann die Liebe des kleinen Mädchens zu ihrer langbeinigen Freundin teilen. Moralisch-ideo­logische Unterstützung erhält die Fraktion der Barbie-Feinde von allen möglichen Seiten. Reli­giöse Fundamentalisten stören die Brüste. Pä­dagogen kritisieren, dass Barbies Maße unrea­listisch seien, und beweisen dabei doch nur, dass sie keine Ahnung von Spielzeug haben – Mäuse können nämlich in Wirklichkeit weder sprechen noch Detektiv sein wie Micky Maus, Carrera-Bahnen würden in Groß auch niemals funktionieren, und die Füße von Superman sind im Vergleich zu denen eines echten Menschen viel zu klein. Woraus niemals jemand ein Drama gemacht hat, vielleicht weil es sich um jungstypisches Spielzeug handelt.
Barbie jedoch rief sie alle auf den Plan, vor allem die Frauenschützer. Die unter anderem befürchten, dass das Spielen mit der glamour­ösen Puppe Anorexie fördern könnte. Müsste dann nicht umgekehrt die Dauerbeschäftigung mit unförmigen, rundgesichtigen, auf niedlich getrimmten Puppen aus Kindern ­später fette, zurückgebliebene Erwachsene machen?
Allein schon die Coolness, mit der Barbie an ihrem Freund Ken festhielt, selbst als er sich mit heruntergelassenen Hosen vor der ganzen Welt als eierloses Wesen präsentiert hatte, zeigt, dass ihre kleinen Besitzerinnen viel mehr von ihrer Barbie lernen konnten, als nur schöne Kleider zu tragen. Unbeirrbar seinen Weg zu gehen, egal was alle anderen sagen, gehört zu den Fähig­keiten, die jede lernte, die gern mit Barbies spielte. Vor allem dann, wenn sie neben den grazilen Puppen noch einen Bruder hatte. Brüder sind nämlich der natürliche Feind von Barbie. Ganze Generationen der Puppen wurden von kleinen Jungs gequält, verstümmelt, verunstaltet, und als 1967 das Modell »Twist ’n’ Turn« eingeführt wurde, begann das Elend erst richtig. Barbies biegsame Beine wurden von bösen Brüdern nämlich mit Vorliebe in die falsche Richtung gebogen, was schwere Knieverletzungen bei der Modequeen zur Folge hatte.
Auf viel Mitleid durfte die zutiefst traurige Puppenbesitzerin allerdings nicht hoffen, denn die meisten Mütter fanden Barbie einfach nur scheußlich.
Egal. Sollen sie doch alle reden. Eine echte Barbie-Mama lässt sich ohnehin durch nichts beeindrucken. Weil sie, zusammen mit ihrer Puppe, eben fürs Leben gelernt hat. Unter anderem, dass auch gut aussehende Frauen intelligent sein können.
Gut, Barbies Ausbildungsweg entspricht nicht wirklich dem, was man unter straighter Lebensplanung versteht, aber Bildungsferne oder gar mangelnde Bereitschaft zu lernen kann man der Puppe keinesfalls vorwerfen.
Alles fing mit der großen weiten Welt an. Barbie nahm 1961 einen Job als Stewardess bei American Airlines an. Flugbegleiterin zu sein, dürfte zu den ganz großen unerfüllten Berufs­träumen der meisten Schulabgängerinnen jener Zeit gehört haben, die meisten Jobs, die für Mädchen geeignet erschienen, waren schließlich stinklangweilig und vollkommen unglamourös. Barbie hatte dagegen Glück, niemand verlangte von ihr, sich als Sekretärin durchzuschlagen, vielleicht auch nur deswegen, weil das dazu passende Kleiderset viel zu bieder und deswegen kein Verkaufsschlager geworden wäre.
Als Stewardess verfügte die Model-Puppe dagegen über eine immens schicke Uniform, zu der nicht nur weiße Handschuhe, sondern auch eine riesige Fünfziger-Jahre-Sonnenbrille gehörten. Und trotzdem war der Job für die zielstrebige Barbie vermutlich nur Mittel zum Zweck, sprich: Sie finanzierte ihre weitere Ausbildung mit dem, was sie in der Luft verdiente.
Bereits im Jahr 1963 wurde Barbie zur Pädagogikstudentin, Fotos aus jener Zeit zeigen sie, gekleidet in einen hautengen, rot-weiß-karierten, knielangen Rock, in der Hand hält sie ein Buch und einen Zeigestock.
Zwei Jahre später machte Barbie, im vorschriftsmäßigen schwarzen Ornat, ihren Abschluss, mitgeliefert im Set »Abschlussprüfung« wurde ein zusammengerolltes Diplom. Und dann ging es richtig los. Barbie wurde, nun, im Prinzip alles. Ihr berufliches Spektrum reicht von der Medizinerin bis zur Eiskunst­läuferin, dazwischen war sie Model, Balletttänzerin, Kosmetikerin, Astronautin, Popstar und Mitglied der amerikanischen Olympia-Mannschaft von 1976. Zwischendurch heiratete sie immer mal wieder ihren Ken, wahrscheinlich auch, um der Welt zu zeigen, wie egal ihr all die gemeinen Bemerkungen über den seltsam unscheinbaren Mann an ihrer Seite waren.
Dass Barbie in all den Jahren eine ihrer Haupteigenschaften, die Brüste, behalten hat und in diesem Punkt nicht um einen Millimeter nachgegeben hat, zeigt dazu, dass niemand, weder Mütter noch Brüder noch langweilige Pädagogen, gegen entschlossene kleine Mädchen eine Chance haben. Vielleicht hatte man bei Mattel ja auch nur mittels einer komplizierten Formel berechnet, dass die Welt aus ihrer Achse geschleudert würde, wenn zig Millionen kleine und große Barbie-Freundinnen eines Tages aufwachen und nach der Feststellung, dass aus der schicken Puppe ein langweiliges, brust­loses Wesen geworden ist, wütend mit den Füßen aufstampfen würden. Vielleicht haben 50 Jahre ­Barbie aber auch einfach genügend mitt­ler­weile erwachsenen Frauen gezeigt, dass es geht: Brüste haben und klug und schön sein. Und jede Menge Spaß haben. Selbst dann, wenn es einem richtig schwer gemacht wird.
Ruth Handler erkrankte im Jahr 1970 an Brustkrebs und stellte fest, dass die bislang angebotenen Prothesen ziemlich scheußlich ­waren. Zum Glück hatte sie durch die Barbie-Produktion genug Erfahrung mit der Herstellung von Plastikbusen, so dass sie begann, eine Kollektion künstlicher Brüste herzustellen. Vielleicht konnte sie auch deshalb mit ihrer Krankheit so gut fertig werden, weil die Prothesen ihr zu mehr Selbstbewusstsein verhalfen.