Interview mit Gerhard Schick über die rot-rot-grüne Option

»Finanzmärkte regulieren!«

Gerhard Schick ist finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag und Mitglied des Parteirats. Vor der Bundesdelegiertenkonferenz machte er mit einem Plädoyer für eine rot-rot-grüne Koalition auf sich aufmerksam.

Sie haben vor der Bundesdelegiertenkonferenz manche Ihrer Parteifreunde mit einem Dokument verärgert, in dem Sie eine rot-rot-grüne Koalition befürwortet haben. Warum?

Wir brauchen eine Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise. Jetzt ist wichtig, dass wir die Finanzmärkte konsequent regulieren, die Wirtschaft ökologisch auf eine neue Bahn bringen und eine solidarische Antwort auf die Krise geben. In diesen Punkten gibt es zumindest in den Über­schrif­ten große Übereinstimmungen zwischen den drei Par­teien. Und trotzdem gelingt keine sol­che Antwort, weil SPD und »Linke« sich verweigern. Das ist, was ich aus der Perspektive für ei­ne politische Linke in Deutschland formuliert habe. Dabei ist klar, dass die drei Parteien nicht identisch sind. Die Grünen sind immer eine emanzipatorische Lin­­ke gewesen und nicht eine strukturkonser­va­tive Linke.

Sie sagen, Union und FDP seien von der Finanz­lobby dominiert. Ist das bei SPD und Grünen nicht der Fall?

Nehmen wir einfach ein Beispiel – das Gesetz zur Bekämpfung von Steueroasen. Der Vorschlag aus dem Hause Steinbrück hatte durchaus Poten­zial, aber die Union hat das völlig ausgehöhlt. An solchen Punkten sieht man, dass Union und FDP bei zentralen Fragen der Finanzmarktkon­trolle ganz klar blockieren.

Auch die rot-grüne Bundesregierung hat zur De­regulierung der Märkte beigetragen.

Die SPD hat im Finanzministerium immer wieder Positionen der Finanzlobby übernommen, und die Grünen haben insofern Fehler gemacht, weil sie diese Politik mitgetragen haben. Die Grünen als Partei waren aber nie für Deregulierung.

Auch wenn auf dem Parteitag ge­sagt wurde, die Grünen seien die Partei der sozialen Gerechtigkeit: Menschen mit geringem Einkommen fühlen sich von den Grünen nicht vertreten.

Dabei vertreten wir häufig gerade deren Interessen. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft. Dafür stehen die Beschlüsse für unser Bundestagswahlprogramm: Mindestlohn, Garantierente, Kindergrundsicherung, Erhöhung von Hartz IV und vieles mehr. Und zur solidarischen Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise gehört auch, dass die Kosten nicht bei den kleinen Leuten abgeladen werden, sondern über eine Vermögensabgabe diejenigen herangezogen werden, die das schultern können.

Die Parteiführung hatte zunächst eine Ampelkoalition als Präferenz ins Programm schreiben wollen, was von der Basis abgelehnt wurde. Hat die Favorisierung der Ampel mit Parallelen zwischen der FDP und den Grünen zu tun?

Die Bereitschaft, mit jemandem zu verhandeln, be­deutet nicht, dass man einer Meinung ist. Deshalb finde ich es richtig, auch zu versuchen, ob man mit der FDP vernünftige Politik machen kann. Aber wir wollen eine Koalition mit der FDP nicht als Ziel for­mulieren, weil Ziel nur sein kann, was unseren In­halten voll entspricht. Deshalb wollen wir einen Kurs der Eigenständigkeit, und darauf haben wir uns jetzt alle nach einer intensiven Dis­kussion ver­ständigt.

Bedauern Sie, dass Ihre Intention, eine rot-rot-grüne Koalition im Wahlprogramm explizit zu erwähnen, abgewehrt wurde?

Ich finde richtig, dass wir jetzt eine Formulierung gewählt haben, die die Koalitionsfrage offen lässt. Ich hoffe, dass das Diskussionen in der SPD und der »Linken« auslöst und sie sich klar machen, dass die Krise eine Chance ist, wirklich etwas zu ändern, eine Chance für eine ökologisch-soziale Politik. Und dafür wird es nur ein kurzes Zeitfenster geben.

In Ihrer Antragsbegründung haben Sie ge­schrie­ben, Überlegungen zur wahrscheinlich ohnehin scheiternden rot-rot-grünen Koalition könnten zur Legitimation von anderen Bündnissen beitragen. Ist Ihr Vorschlag auch eine Legitimationsstrategie – etwa für eine Ampelkoalition?

Nein, überhaupt nicht. Aber wenn die »Linke« nicht bereit ist, auch nur zu versuchen, eine sozialere Politik durchzusetzen, dann lasse ich mir von ihr auch nicht vorwerfen, wenn unter grüner Regierungsbeteiligung nicht sofort das Optimum für eine soziale Politik erreicht wird. Wer nicht zur Übernahme von Verantwortung bereit ist, kann nachher nicht diejenigen kritisieren, die versuchen, so viel wie möglich zu erreichen. Motzen allein gilt nicht.