Verstecken spielen

Nope, als Krimi-Fan hat man es nicht immer leicht. Nicht nur, weil man hin und wieder richtig miese Vertreter des Genres erwischt, Geschich­ten mit durchsichtigen Plots etwa, deren Auflösung schon ab Seite 25 klar ist, oder solche, die ganz widerliche Law&Order-Gedanken propagieren. Nein, auch die Antwort auf die Frage, was man denn gerade lese, kann für Krimi-Fans ganz schön peinlich sein. Wahrheits­gemäß »Träu­me süß, Dornröschen« zu erwidern, während das Gegenüber zuvor von der Lektüre eines wichtigen historischen, kulturellen oder gar wissenschaftlichen Werks mit immensem Erkenntnisgewinn schwärmte, kann durchaus einiges an Tapferkeit und Selbstbewusstsein erfordern. Dabei ist an »Träume süß, Dornröschen« bloß der Titel ziemlich mies, das Buch, das im Original »A Kind of Vanishing« heißt, hat alles, was einen guten Krimi ausmacht. Die Geschichte beginnt im England des Jahres 1968. Zwei Mädchen, Alice und Eleanor, spielen an einem Sommertag in einer verlassenen Mühle eines Küstendorfs Verstecken. Freundinnen sind sie nicht, die beiden kennen einander erst seit wenigen Tagen, und eigentlich mögen sie sich auch nicht besonders. Aber Eleanors Eltern haben beschlossen, dass ihre schwierige achtjährige Tochter während der Pfingstferien dringend eine Spielkameradin brauche, und nun war eben Verstecken angesagt. Alice wird dabei nie gefunden, sie verschwindet spurlos. Bis im Sommer des Jahres 1999 ganz plötzlich das Schicksal von Alice aufgeklärt wird, auch weil Eleanor bereit ist, sich zu erinnern und aufzuhören, zu träumen.

Lesley Thompson: Träume süß, Dornröschen. BLT-Verlag, Bergisch Gladbach, 460 Seiten, 8,95 Euro