Für das Leben

George Tiller war weithin bekannt, weil seine Abtrei­bungs­klinik in Wichi­ta im Bundesstaat Kansas eine von vier Einrichtungen in den USA ist, in der Abtreibungen auch nach der 21. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. Am Sonntag wurde Tiller erschossen, während er vor einer Kirche nahe seiner Klinik das Gottesdienstprogramm verteilte. Der mutmaßliche Täter, der ultrakonservative Abtreibungsgegner Scott Roeder, wurde verhaftet. Ein User der Internetseite der Anti-Abtreibungsgruppe Operation Rescue, der sich Scott Roeder nennt, erstellte vor der Tat einige Blogeinträge zum Thema Tiller. So forderte er dazu auf, »für ein Ende von George Tillers Abtreibungsgeschäft« zu beten. Weiter schreibt er, dass jeder gepriesen sein solle, der »Tiller zur Rechenschaft zieht« und sich um die »Schließung seines Todescamps« kümmere. Die Gruppe distanzierte sich nach dem Mord von Roeder, er sei »kein Freund«. Der Gründer der Organisation, Randall Terry, sagte jedoch, dass Tiller ein »Massenmörder« gewesen sei, er habe »geerntet, was er säte«.
Es war nicht der erste Angriff. Regelmäßig wurde vor Tillers Haus und seiner Klinik gegen die Abtreibungen protestiert. 1986 detonierte auf dem Dach der Klinik eine Bombe, 1993 schoss Rachelle Shannon auf den Arzt und verwundete ihn. Vor einigen Wochen wurden die Kabel der Außenbeleuchtung und der Überwachungskamera der Klinik durchtrennt, das Dach wurde so beschädigt, dass Regen in das Gebäude eintrat.
Angriffe auf Ärzte und Kliniken waren in den achtziger und neun­ziger Jahren keine Seltenheit, doch kamen die meisten Abtreibungsgegner zu dem Schluss, dass sie dem Image einer Bewegung »für das Leben« nicht zuträglich sind. Das Attentat auf Tiller war der erste Mord an einem Arzt seit 1998. Mary Kay Culp, Vorsitzende der Gruppe Kansas for Life, befürchtet nun, der Vorfall mache »es schwer, das Thema in Zukunft anzusprechen«.   lt