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Es reicht! Geht nach Hause und lasst den Quatsch! Nein, man möch­te keiner »bunten Gruppe begeisterter junger Menschen« (www.carrotmobberlin.com) begegnen, die meint, in einem Laden ganz viel einzukaufen, sei eine tolle politische Sache. 400 Personen diesen Schlags stellten sich am Samstag in Berlin-Kreuzberg wäh­rend der drei Stunden dauernden Aktion bei einem Spätkauf in die Schlange um, ja, um zu kaufen. Nicht mehr und nicht weniger. Der Eigentümer hatte zuvor versprochen, 35 Prozent des Umsatzes in dieser Zeit in Energiesparmaßnahmen in seinem Laden zu investieren. Das kostet ihn nichts, macht aber einen verdammt guten Eindruck, denn die Taz war dabei.
»Carrotmob« ist der letzte Schrei bei fröhlichen Ökos, die glauben, wenn irgendwo der Begriff »Nachhaltigkeit« fällt, seien paradiesische Zustände schon beinahe erreicht. »Die alte Form des Boykotts hat ihren Zenit überschritten«, schreiben die Carrotmobber. Unternehmen etwas Böses tun, ist out, und geklappt hat es ohnehin nur selten. Stattdessen werden nun auserwählte Geschäfte beglückt. »Das Konzept überzeugt durch den hohen Nutzen für alle Parteien«, schreiben die Carrotmobber. Und tatsächlich: Der Ladenbesitzer hat 2 000 Euro Umsatz und viel Werbung für sich gemacht, die Einkäuferinnen und Einkäufer haben Kaugummis und Bier, sind davon überzeugt, »die Macht des Konsumen­ten« ausgeübt zu haben, und feiern sich dafür. Auch Twitter, Facebook, StudiVZ und Myspace dürften sich freuen, machen die Carrotmobber doch fleißig Werbung für sie – mit den Logos auf ihrer Webseite und mit den Hinweisen auf die »fortschrittliche Organisation« der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aktion über die einschlägigen sozialen Netzwerke im Internet. Da kann keine Politgruppe mehr mithalten!
700 Euro stehen nunmehr für Energiesparmaßnahmen im Spätkauf zur Verfügung, das macht zum Beispiel 50 bis 100 Energiesparlampen, je nach Modell. So knüpft der Berliner Carrotmob an den »weltweiten Erfolg des Prinzips« an, das vor einem Jahr in Kalifornien erfunden wurde. Seither wurde der Unsinn außer in den USA auch schon einmal in Kanada, in Frankreich und in Finnland betrieben, wie eine Karte auf der englischen Seite der Möhrenfreunde zeigt.