Hubertus Buchstein im Gespräch über den Erfolg der NPD bei den Kommunalwahlen im Osten

»Das schreckt die Wähler ab«

In Sachsen konnte die NPD in den jüngsten Kommunalwahlen die Zahl ihrer Sitze mehr als verdreifachen, in Mecklenburg-Vorpommern hat sie nun 60 Sitze in den Kommunalparlamenten. In Thüringen erhielt die Partei 21 Mandate, in Sachsen-Anhalt steigerte sie sich von vier auf 19 Sitze. Der Politikwissenschaftler Hubertus Buchstein lehrt und forscht an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Er ist u.a. Mitherausgeber der Studie »Die NPD in den kommunalen Parlamenten Mecklen­burg-Vorpommerns« und der Broschüre »Kein Platz für Rechtsextremisten in Kom­munalparlamenten«. In diesem Semester leitet er das Hauptseminar »Die NPD bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2009«.

In den Kommunalwahlen hat die NPD in Ostdeutschland eine große Zahl an Sitzen hinzugewonnen. Geht dort die Strategie der Partei auf, sich in den Kommunen zu etablieren?

Es ist immer die Frage, welche Vergleichsgröße man heranzieht: In der vorigen Kommunalwahl in Mecklenburg-Vorpommern hat die NPD in acht Gemeinden kandidiert, in sieben hat sie den Einzug geschafft. Dieses Mal ist die Partei an weit­aus mehr Orten angetreten und beinahe überall dort in die Parlamente gekommen. Wenn man aber die Landtagswahl 2006 betrachtet, sieht es anders aus: Im Vergleich zu den damaligen Prozentergebnissen hat sich die NPD landesweit deut­lich verschlechtert.

Ist der Vergleich mit einer Landtagswahl sinnvoll?

In einer Landtagswahl ist für gewöhnlich die Wahlbeteiligung höher, es gibt mehr Protestwähler. Da schneidet die NPD stets etwas stärker ab. Aber selbst der Vergleich mit der Kommunalwahl 2004 in Mecklenburg-Vorpommern ist schwer, weil die Partei damals nur 80 bis 100 Mitglieder hatte und keinen professionellen Wahlkampf machen konnte. Dieses Mal arbeitete sie mit 400 Leuten, großer Unterstützung aus der Landtagsfraktion und sogar mit Postwurfsendungen. Sinnvoll ist es deshalb zu betrachten, wo die Partei in den letzten Wahlen erfolgreich war und wie viele Stimmen sie dort dieses Mal erhalten hat.

Zu welchem Ergebnis kommt man dann?

2004 erhielt die NPD zum Beispiel in Stralsund zwei Sitze, 2009 nur einen Sitz – und das nach ei­nem zwischenzeitlich recht hohen Landtagswahl­ergebnis. In Ludwigslust, wo die Partei 2004 sehr erfolgreich war, hat sie sowohl gegenüber der letzten Kommunalwahl als auch der letzten Land­tagswahl sehr stark verloren. In der Gemeinde Postlow erreichte sie in den Landtagswahlen 2006 38 Prozent, davon hat sie nun mehr als die Hälfte eingebüßt. Es gilt: Überall dort, wo die NPD in den Landtagswahlen sehr stark war, hat sie deutlich verloren. Das liegt unter Umständen auch an der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Ergebnisse damals nach sich zog. Das schreckt die Wähler ab. Vielfach gab es aber auch örtliche Gegenwehr der Demokraten gegen die NPD, was sich politisch ausgezahlt hat.
Es gibt auch Regionen, in denen die NPD ein un­gefähr gleichbleibendes Ergebnis erzielt hat. In anderen hat sie hinzugewonnen. Das Bild ist gemischt. Das Wichtige ist: Insgesamt sind die Kommunalwahlen nach den Kriterien der NPD kein Erfolg. Die Partei konnte in Mecklenburg-Vor­pommern nicht wie geplant an das Ergebnis der Landtagswahl anschließen und gelangte auch nicht an den Orten zum Durchbruch, wo sie sich kommunalpolitisch schon engagiert hat.

Dafür haben NPD-Mitglieder Sitze in den Räten etlicher größerer Städte wie Erfurt, Weimar, Dresden, Leipzig, Halle, Magdeburg, Schwerin oder Rostock erhalten.

In Schwerin und Rostock sind sie in den vorherigen Wahlen nicht angetreten. Da hat man also gar keinen Vergleich. Und es gibt auch Gegenbeispiele aus mittleren und kleinen Städten. Ich hatte beispielsweise erwartet, dass in Neubranden­burg acht oder sogar neun Prozent für die NPD abfallen würden – erhalten hat sie nicht einmal drei. Ich hätte nicht gedacht, dass in einer Stadt mit so vielen sozialen Problemen, in der es durch­aus eine Klientel für die NPD gibt, das Ergebnis so schlecht ausfällt.
Ähnliches gilt für Anklam. Dort war die NPD bislang sehr stark, auch weil die bürgerlichen Par­teien mehr oder weniger in Auflösung begriffen sind. Doch eine Partei namens »Initiativen für An­klam« hat dort kandidiert und etwa 30 Prozent erhalten, weil sie das Protestfeld besetzt hat. In dieses konnte die NPD dieses Mal nicht so erfolgreich vordringen. Zudem richteten sich die demokratischen Gegner der NPD mit verschiedenen Aktionen gegen die Rechtsextremen. Dass die NPD in Anklam ihre bisherigen Wahlerfolge nicht weiter ausbauen konnte, ist zu einem gewissen Teil dieser demokratischen Gegenwehr ge­schuldet. Das stimmt optimistisch.

Presseberichten zufolge waren in der sächsischen Schweiz oder Ostvorpommern fast nur Wahlplakate der NPD zu sehen. Überlassen die anderen Parteien diese Gegenden der NPD?

Die anderen Parteien muss es dort erst einmal in nennenswerter Stärke geben. Die SPD beispielsweise existiert an manchen Orten im Osten von Mecklenburg-Vorpommern gar nicht. Und was soll sie schon machen, wenn es z.B. nur eine Hand­voll Mitglieder in Wolgast gibt? Im Hinblick auf Plakate konnte man aber auch andere Beobachtungen machen: Am Bahnhof in Stralsund hingen vor etwa vier Wochen an allen Laternen nur NPD-Plakate. Die anderen Parteien haben das aber registriert und ihrerseits ausgiebig plakatiert. In anderen Kommunen wie Anklam war es ähnlich. In Ostvorpommern haben einige Lokalmata­dore der Grünen sich die Orte ausgekuckt, an denen fast nur die Werbung der NPD zu sehen war, und haben dem etwas entgegengesetzt. Manche Kommunalpolitiker in anderen Gemeinden etwa im Uecker-Randow-Kreis haben aber einfach nur gepennt.

Mit welchem Programm treten die NPD-Vertre­ter nun ihre Arbeit in den Kommunen an?

In Mecklenburg-Vorpommern hatte die Partei kein kommunales Rahmenprogramm, in Thüringen gab es eines. Rechtsextreme Elemente und die Hetze gegen Ausländer und Asylbewerber sind darin zwar zu finden, in langen Passagen mutet es aber an wie eine Zusammenstellung von Äußerungen der CDU, der Linkspartei, der SPD, der Grünen, wenn es zum Beispiel um die Ablehnung genetisch veränderter Kartoffeln geht, und selbst der FDP. Das Programm erscheint trotz seines populistischen Protesttons vergleichsweise harmlos und bieder.
In Mecklenburg-Vorpommern hat die Partei zwar kein Programm vorgestellt, aber vielfach ver­sucht, lokale Themen aufzugreifen, an denen sich Protest entzündet, beispielsweise die Geruchs­belästigung durch eine Ölraffinerie in Anklam. Den Protest haben diesmal aber auch andere Par­teien und Wählerbündnisse klar ausgesprochen, weshalb die NPD sich mit diesem Punkt nicht pro­filieren konnte.

Nach Darstellung der NPD bemühen sich ihre Vertreter hartnäckig um das Wohl der Bürger. Wie arbeiten die Parteimitglieder in den Kommunen Ihrer Beobachtung nach?

Aus einer Studie unseres Instituts zur Arbeit der Partei in den kommunalen Parlamenten Mecklenburg-Vorpommerns geht hervor: Nur der NPD-Vertreter in Anklam war zunächst sehr rührig. Er sitzt aber mittlerweile auch im Landtag und ist lokal nicht mehr so aktiv. Die anderen Parteimitglieder waren nicht sonderlich aktiv. In Stralsund, Teldau oder Müritz waren sie lediglich ab und an in Sitzungen anwesend. Eher untätig waren die NPD-Mitglieder in Ludwigslust.
Nach der Landtagswahl 2006 hat die NPD einige Bürgerbüros eröffnet. Nach unseren Beobachtungen an drei Orten wurden diese aber kaum be­sucht. In anderen Gemeinden haben die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt und die Volkssolidarität in der Folge die Beratung etwa zu Hartz IV intensiviert. Deshalb konnte die NPD die so genannte Kümmerer-Funktion in den Kommunen, derer sie sich rühmt, nicht wirklich einnehmen.
Die Medien fallen in diesem Punkt zu leicht auf die Propaganda der NPD herein. Da stellt sich ein NPD-Funktionär wie Michael Andrejewski in Anklam demonstrativ vor einen Supermarkt und redet mit alkoholisierten Sozialhilfeempfängern. Ist ein Fernsehteam vor Ort, ist in dessen Beitrag dann davon die Rede, dass die NPD sich sozial betätige und in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Über solche Berichte berichtet dann die NPD ihrerseits mit großer Freude.

Mit ihrer Arbeit in den Kommunen kann die NPD also kaum um Stimmen werben. Sind die Wähler der Partei demnach hauptsächlich ideologisch gefestigte Rechtsextreme?

Ein gewisses Maß an Protestwählern ist immer da­bei, in den Landtagswahlen ist deren Zahl jedoch gewöhnlich höher als bei Kommunalwahlen. Aber man sollte da auch nichts verharmlosen. Die NPD hat in den östlichen Landesteilen Mecklenburg-Vorpommerns mittlerweile eine Stammwählerschaft, die zwischen circa fünf und sieben Prozent der Stimmen ausmacht. In manchen Gemeinden wie Ueckermünde ist die Zahl sogar noch höher. In den westlichen Landesteilen kommt die Stammwählerschaft aber nur deutlich auf unter fünf Prozent. Dort ist es an vielen Orten mit phantasievollen Aktionen gelungen, unentschlossene Wähler von dem Votum für die NPD abzuhalten.