Einfach über die Mauer

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Geplant hatte er, ein Buch über Amerikas jahrzehntelange Verwicklungen in Afghanistan zu schreiben. Doch nun hat der US-amerikanische Journalist David Rohde wohl noch einiges mehr zu berichten. Vor sieben Monaten war er von den Taliban entführt worden. Am vergangenen Freitag gelang dem Journalisten, der für die New York Times tätig ist, zusammen mit einem pakistanischen Kollegen die Flucht. Er sei »einfach über die Mauer geklettert und gelaufen«, sagte seine Frau, die er erst zwei Monate vor der Entführung geheiratet hatte, nach einem Telefonat mit ihm. Auf Drängen der New York Times und des FBI hatten Zeitungen und Fernsehsender im Interesse einer Lösung darauf verzichtet, über die Verschleppung des Mannes zu berichten. Galt dieses Mal Geheimhaltung, hatte Rohde während seiner vorangegangenen Gefangenschaft in Serbien eine andere Taktik verfolgt. Mit der Veröffentlichung seiner Artikel wollte er damals Aufmerksamkeit erregen: »Die Publizität wird den Druck auf die Serben erhöhen, mich freizulassen.«
Der Erfolg blieb nicht aus. Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft in Serbien berichtete Rohde als Kriegsreporter über Massengräber, in denen bosnische Männer verscharrt worden waren, und erhielt für diese Arbeit 1996 den Pulitzerpreis. Von seinem zweiten Pulitzerpreis dürfte der Journalist erst jetzt erfahren haben. Er wurde ihm im April 2009 für seine Berichterstattung aus Afghanistan und Pakistan verliehen. Rohde wird als »investigativ und zugleich vorsichtig« beschrieben. Als er sich zu einem vermeintlichen Interview mit dem Taliban-Kommandeur Dschallaludin Hakkani begab und dann entführt wurde, wagte er wohl zu viel. »Das Letzte, was er will, ist, selbst die Story zu sein«, sagte Rohdes Bruder den Medien. Das ist dem Journalisten mit seiner Flucht aus einem bergigen Gebiet, die an ein Wunder grenzt, nicht gelungen.