Die internationalen Reaktionen auf den Putsch

Zu dumm zum Putschen?

Die Regierung der honduranischen Putschisten ist außenpolitisch isoliert, die US-Regierung erkennt sie ebensowenig an wie die linken Regierungen Südamerikas. In der rechten Opposition in El Salvador und Venezuala stößt der Putsch dagegen auf Sympathie.

Aus dem Iran erreichen uns Nachrichten von einer Revolte gegen das Regime, im Radio laufen die größten Hits von Michael Jackson, und nun hat in einem kleinen zentralamerikanischen Land die selbst ernannte Elite mit Hilfe der Militärs den demokratisch gewählten Präsidenten abgesetzt.
Kommen die achtziger Jahre nun komplett zurück? Nicht wirklich. Denn zumindest in Honduras deutet einiges darauf hin, dass sich die rechte camarilla aus Oligarchen, Militärs und Wirtschaftsbossen, die den Präsidenten Manuel Zelaya gewaltsam absetzte, gehörig verzockt hat. Offenbar haben sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Politik in Lateinamerika funktioniert nicht mehr so, wie sie in den achtziger Jahren funktionierte.

Denn die Putschisten stehen ziemlich alleine da. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilte den Putsch des Kongresses gegen den Präsidenten und stellte ein Ultimatum an die Putschisten, den verfassungsmäßigen Präsidenten wieder einzusetzen. Nachdem das Ultimatum am Freitag voriger Woche auslief und nichts passierte, wurde die Mitgliedschaft von Honduras bei der OAS am Samstag ausgesetzt.
Die Europäische Union verurteilte ebenfalls den Staatsstreich und zog alle Botschafter aus der Hauptstadt Tegucigalpa ab. Am Mittwoch vergangener Woche kündigte die US-Regierung an, die Militärhilfe an Honduras einzustellen. Weitere Kür­zungen von Wirtschaftshilfen wurden noch nicht beschlossen, würden aber in Erwägung gezogen, ließ das Außenministerium auf einer Pressekonferenz verlautbaren. Damit ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des sehr armen honduranischen Staats in Gefahr. Zudem stellten die Nachbarländer Nicaragua, Guatemala und El Salvador den Handel mit Honduras vorerst ein. Es stellt sich die Frage, wie lange die Putschregierung noch aushalten kann.
Fast hat es den Anschein, als wären Militärs und Oligarchen in Honduras zu dumm zum Putschen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die USA nahezu alle rechten Putschbewegungen in Lateinamerika mitgetragen. Und ohne diese Unterstützung wären die meisten Militärregierungen in der Region während der siebziger und achtziger Jahre auch schnell zugrunde gegangen. Man hätte also von den honduranischen Putschisten zumindest erwarten können, dass sie sich vor ihrem Putsch des Rückhalts der USA versichern. Schließlich war die Annäherung Zelayas an die von Venezuela gegründete »Bolivarianische Allianz für die Völker Amerikas« (Alba) weder im Interesse der rechten Oligarchie noch im Interesse der USA. Doch die Regierung von Barack Obama verweigerte dem Staatsstreich die Billigung, von der die honduranische camarilla vermutlich einfach ausgegangen war.
Immerhin war Honduras während der achtziger Jahre ein sehr wichtiges Land für die USA und ihre Zentralamerika-Politik. In Tegucigalpa befand sich das regionale Hauptquartier der CIA, von dort aus unterstützten die USA die anti-kommunistische Contrabewegung in Nicaragua und die Militärs in El Salvador und Guatemala während der dortigen Bürgerkriege. Die Militärs, die nun den Befehl des Kongresses ausführten und Präsident Zelaya im Schlafanzug auswiesen, waren zum Teil bereits in diesen Zeiten im Amt. Es scheint, als wären diese teils noch von der CIA ausgebildeten Militärs von einem natürlichen Interesse der USA ausgegangen, ihren Putsch gutzuheißen. Doch der Kalte Krieg ist vorbei. Die USA haben offenbar wichtigere Interessen, als eine rechte camarilla zu stützen, die einen nach achtziger Jahren klingenden antikommunistischen und rechtsextremen Duktus pflegt.
Angesichts des großen Rückhalts, den Manuel Zelaya bei anderen Staatschefs in Lateinamerika genießt, käme der US-Diplomatie eine Anerkennung der Putsch-Regierung einem Schuss ins eigene Knie gleich. Die USA haben andere Sorgen im Mittleren Osten, als dass sie sich wegen eines kleinen Landes wie Honduras die Beziehungen zu den meisten Ländern Lateinamerikas unnötig verderben wollten. Und so verurteilte US-Präsident Obama den Putsch recht eindeutig.

Dem Außenminister der per Putsch installierten Regierung, Enrique Ortez Colindres, scheint es aber auch nicht dringlich, die internationale Isolation seines Landes zu vermeiden. In einer populären Fernsehshow am Montag teilte er unmissverständlich mit, dass ihm die internationalen Reaktionen auf den »Regierungswechsel« gleichgültig seien. Man könne nicht auf die OAS und »andere Grüppchen, die so herumlaufen«, Rücksicht nehmen, wenn es darum gehe, die Souveränität Honduras zu schützen, erklärte Colindres. Der spanische Regierungspräsident José Luis Zapa­tero solle »sich wieder seinen Schuhen widmen«, anstatt sich in honduranische Angelegenheiten einzumischen – »Zapatero« heißt übersetzt »Schuhmacher«. Ähnliches gelte für den US-Präsidenten Barack Obama, den Colin­dres einen »negrito« nannte, »der von nichts etwas versteht«.
Ganz anders da steht der legitime Präsident von Honduras, Manuel Zelaya. International gestärkt, kündigte er an, am vergangenen Sonntag nach Tegucigalpa zurückzukehren zu wollen. In diesem Falle, so antwortete die Putschregierung, würde er sofort am Flughafen festgenommen werden. Denn die Putschregierung wirft ihm 18 Delikte vor, darunter »Subversion der politischen Strukturen«, »Vaterlandsverrat« und »Amtsmissbrauch«. Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner äußerte daraufhin den Plan, Zelaya zu begleiten, um diese Verhaftung zu vereiteln. Doch die Militärs blockierten kurzerhand den internationalen Flughafen. Stundenlang kreiste das Flugzeug des Präsidenten über der Hauptstadt, bis es schließlich umkehren musste. »Als demokratisch gewählter Präsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte befehle ich die Freigabe des Flughafens«, sagte er noch im Flugzeug dem staatlichen venezolanischen Fernsehsender Telesur, doch wie erwartet ohne Effekt. Er versprach aber, demnächst wieder zu versuchen, nach Honduras zu reisen, und forderte die Zivilbevölkerung auf, friedlich gegen den Putsch zu demonstrieren.
Zelayas wichtigste Verbündete sind derzeit die Präsidenten von Venezuela, Nicaragua und El Salvador: Hugo Chávez, Daniel Ortega und Mauricio Funes. Sie alle sind entweder schon in der Alba oder mit ihr eng verbunden. Auch Zelaya näherte sich dem Bündnis an. Mit dieser Allianz, so sagte er jedenfalls, wolle er die arme Bevölkerung ins Zentrum der Politik stellen und über Alba zahlreiche Sozialprogramme einführen. Doch die rechte Opposition warf ihm, einem Mitglied der Liberalen Partei, vor, über das Bündnis mit Alba und Venezuela den Kommunismus in Honduras einführen zu wollen.
Für Hugo Chávez, bekannt für seine antiamerikanischen Ausfälle, ist es indes wohl eine ungewohnte Situation, dass er plötzlich mit den USA auf derselben Seite steht. Als die Militärs die Landung Zelayas in Tegucigalpa verhinderten, sagte Chávez dem Sender Telesur, dass »die Putschisten die Unterstützung des Yankee-Imperiums« besäßen. Wie er sich dann Obamas Verurteilung des Putsches erkläre? »Ich glaube, Obama ist ein Gefangener des Imperiums«, orakelte Chávez. Zuzugeben, dass man tatsächlich einmal dieselben Interessen wie die USA hegt, scheint Chávez körperliche Schmerzen zu bereiten.

Aber nicht nur Chávez hat Schwierigkeiten einzusehen, dass sich die Zeiten ändern. Denn während die an die achtziger Jahre erinnernde Putschregierung Honduras‹ auf offizieller Ebene isoliert ist, findet sie in den oppositionellen Parteien in El Salvador und Venezuela durchaus Sympathisanten. Die extrem rechte Partei »Arena« El Salvadors, die erst am 1. Juni dieses Jahres vom linken Kandidaten Mauricio Funes an der Regierung abgelöst wurde und noch immer enormen Einfluss in der Judikative und im Militär ausübt, hat sich längst noch nicht daran gewöhnt, nach fast 20 Jahren an der Macht nicht mehr in El Salvador zu regieren. So drohte ein Abgeordnete der Arena, Donato Vaquerano, unverhohlen dem Präsidenten seines Landes: »Funes sollte in Zelaya sein Spiegelbild sehen!«
Auch in Venezuela begrüßen viele rechte Oppositionelle den Putsch gegen Zelaya. Die Art, wie der Staatsstreich vollzogen wurde, erinnert schließlich stark an den gescheiterten Putschversuch gegen Chávez im Jahr 2002. In beiden Fällen war es eine Koalition aus Wirtschaftsbossen, Militärs und rechten Medien, die mit Hilfe eines gefälschten Rücktrittsgesuchs den Präsidenten aus dem Wege schaffen wollte und die Nachrichten massiv manipulierte.
Auch vor Mordaufrufen schrecken die rechten Parteien jener Staaten nicht zurück. Auf dem Twitter-Blog der honduranischen Tageszeitung Heraldo, die dem der Putschregierung nahe stehenden Politiker und Unternehmer Jorge Cañahuatti gehört, durften Sympathisanten ihre Grußbotschaften an die Putschisten publizieren. Aus Venezuela kam am Samstag auch ein Gruß: »Tapfere Honduraner! Wir Venezolaner sind auf eurer Seite. Raus mit diesen verdammten Linken, und wenn sie sich mit Chávez treffen … mit dem Fadenkreuz auf ihre Stirn!« Angesichts solcher Drohungen ist nur zu hoffen, dass sich in Südamerika nicht doch die achtziger Jahre wiederholen.